Bei der Verwendung von Videoaufzeichnungen für einen anderen Zweck als den ursprünglichen geplanten muss dem Grundsatz der Zweckbindung besondere Aufmerksamkeit zugemessen werden.
Ein Mitarbeiter eines Reinigungsunternehmens beschwerte sich darüber, dass er bei einem Reinigungseinsatz in einem Schwimmbad von den dort installierten Videokameras erfasst wurde und diese Aufnahmen seinem Arbeitgeber vorgelegt wurden.
Das Reinigungsunternehmen reinigte unter Einsatz mehrerer Mitarbeiter regelmäßig in den frühen Morgenstunden die Schwimmhalle eines Schwimmbadbetreibers. Ein Mitarbeiter des Reinigungsunternehmens beschwerte sich bei der Aufsichtsbehörde darüber, dass ihn sein Arbeitgeber eines Tages zu sich gerufen und ihm Videoaufzeichnungen aus der Schwimmhalle vorlegte, in denen er sowie eine weitere Mitarbeiterin bei der Durchführung der Reinigungsarbeiten zu sehen waren. Der Arbeitgeber erklärte, diese Aufnahmen vom Schwimmbadbetreiber mit dem Hinweis vorgelegt erhalten zu haben, dass auf den Aufnahmen zum einen zu sehen sei, dass das Reinigungsunternehmen nur zwei statt der versprochenen drei Mitarbeiter zum Reinigen einsetze. Zum anderen bemängelte der Schwimmbadbetreiber anhand der Aufnahmen gegenüber dem Reinigungsunternehmen, dass die Mitarbeiter die Reinigungsarbeiten „nicht ordentlich“ bzw. in ungenügender Qualität durchführten.
Das Reinigungsunternehmen als Arbeitgeber der eingesetzten Mitarbeiter schloss sich diesen Vorwürfen zwar nicht an und machte den eingesetzten Mitarbeitern aus diesem Anlass keine Vorhaltungen. Dennoch fühlte sich der Beschwerdeführer dadurch, dass der Schwimmbadbetreiber die Aufnahmen seinem Arbeitgeber – der Reinigungsfirma – vorgelegt und anhand dieser Aufnahmen seine Arbeitsleistung bemängelt habe, in seinen Rechten verletzt. Er monierte insbesondere, dass er nicht erwartet hatte, dass er beim Ausführen der Reinigung gefilmt würde und die entsprechenden Aufnahmen seinem Arbeitgeber vorgelegt würden.
Aufgrund dieser Beschwerde wurde der Schwimmbadbetreiber aufgefordert, zu erklären, für welche Zwecke die in der Schwimmhalle betriebene Videoüberwachung durchgeführt wird, sowie in welcher Weise er die betroffenen Personen über diese Zwecke informierte. Der Betreiber erklärte, die Videoanlage sei nur während der Nacht in Betrieb und diene der Prävention gegen unbefugtes Betreten der Schwimmhalle – etwa durch Einbrecher – sowie dazu, in solchen Fällen Täter zu identifizieren, um gegen sie etwaige (Schadensersatz-)Ansprüche verfolgen und Strafverfolgungsmaßnahmen einleiten zu können. Entsprechend wurde mittels „Hinweisschildes“ über die Videoüberwachung informiert. Da die Reinigungskräfte ihre Arbeiten noch zu einem Zeitpunkt verrichteten, in dem die Anlage scharf geschaltet war, waren sie von den Kameras erfasst worden.
Nach der Bewertung hatte der Schwimmbadbetreiber dadurch, dass er die Aufnahmen dem Reinigungsunternehmen vorgelegt hat, gegen den datenschutzrechtlichen Grundsatz der Zweckbindung gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. b DSGVO verstoßen. Der ursprüngliche Zweck, dem die Anfertigung von Videoaufnahmen diente, lag in der Prävention und Verfolgung von Einbrüchen sowie der Verfolgung damit zusammenhängender zivilrechtlicher Ansprüche gegen die Täter. Im vorliegenden Fall wurden die Aufnahmen durch den Betreiber indes zu einem ganz anderen Zweck verwendet, namentlich dazu, die Leistung des Reinigungsunternehmens – und der von diesem eingesetzten Mitarbeiter – anhand der Aufnahmen zu bemängeln. Dieser Verwendungszweck ist vom o. g. ursprünglichen Zweck der Videoüberwachung – also dem Zweck, zu dem die Daten erhoben wurden – gänzlich verschieden und somit muss bei Zugrundelegung der in Art. 6 Abs. 4 DSGVO geregelten Kriterien als mit dem ursprünglichen Zweck unvereinbar angesehen werden.
Die Verarbeitung personenbezogener Daten zu einem Zweck, der mit dem Erhebungszweck unvereinbar ist, ist gemäß Art. 6 Abs. 4 DSGVO nur zulässig, wenn diese Verarbeitung aufgrund einer Rechtsvorschrift des EU-Rechts oder des mitgliedstaatlichen Rechts (zu einem der in Art. 23 DSGVO aufgezählten Zwecke) ausdrücklich erlaubt ist oder wenn die betroffene Person hierzu eingewilligt hat. Mangels einer Einwilligung der gefilmten Mitarbeiter konnte die Verarbeitung daher nur zulässig sein, wenn eine Rechtsvorschrift eine derartige Zweckänderung erlaubte. Zu prüfen ist hierbei vor allem § 24 BDSG – die Vorschrift, die die Verarbeitung zu einem unvereinbaren neuen Verarbeitungszweck regelt.
Die Voraussetzungen des § 24 BDSG waren im vorliegenden Fall jedoch nach Bewertung nicht erfüllt. Zwar erlaubt § 24 Abs.1 Nr. 2 BDSG die Verarbeitung für einen neuen, unvereinbaren Zweck, soweit sie zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche erforderlich ist, aber nur, sofern nicht die Interessen der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegen. Vorliegend könnte man zwar argumentieren, dass der Schwimmbadbetreiber durch die Vorlage der Aufnahmen an die Reinigungsfirma letzterer nachweisen wollte, dass diese die Reinigungsarbeiten in einer ungenügenden Qualität erbrachte. Dies kann als „Ausübung zivilrechtlicher Ansprüche“ angesehen werden, so dass der Anwendungsbereich des § 24 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zwar grundsätzlich eröffnet ist. Jedoch überwogen bei der nach dieser Vorschrift durchzuführenden Interessenabwägung die Interessen der gefilmten Mitarbeiter des Reinigungsunternehmens am Unterbleiben einer solchen Datenverarbeitung. Denn letztlich war die komplette Reinigungstätigkeit der betroffenen Mitarbeiter per Video aufgezeichnet worden, was letztlich einer weitgehenden Komplettüberwachung ihrer Arbeitsleistung – jedenfalls im Rahmen des Arbeitseinsatzes in diesem Schwimmbad – gleichkommt. Jedenfalls eine solche Komplettüberwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten ist, auch nach den in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäben, unzulässig.
Diese Wertung muss auch bei der Anwendung des § 24 Abs. 1 Nr. 2 BDSG und der dort durchzuführenden Interessenabwägung durchschlagen. Damit war die Vorlage der Aufnahmen durch den Schwimmbadbetreiber an die Reinigungsfirma unzulässig. Aus diesem Anlass wurde gegenüber dem Schwimmbadbetreiber mit einer Verwarnung reagiert, die dieser akzeptiert hat.
Quelle: BayLDA
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