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09.04.2020

Videoüberwachung in Gewerbezentrum

Die Hausverwaltung eines Gebäudekomplexes betrieb 14 Videokameras. Die Videobilder wurden für drei Tage gespeichert, außerdem kam eine Nachtsichtfunktion zum Einsatz. Von der Überwachung waren sowohl zahlreiche Gewerbetreibende, Besucherinnen und Besucher des Komplexes als auch Bewohnerinnen und Bewohner eines Mietshauses betroffen. Neben einer Fleischerei und einer Autowerkstatt befanden sich u. a. eine Diskothek und ein Theater im Erfassungsbereich der Kameras. Als Zwecke nannte die Hausverwaltung insbesondere eine Besserung der Sicherheitslage, den Schutz vor Diebstahl und Vandalismus sowie die Möglichkeit, Täterinnen und Täter verfolgen zu können.

Gemäß Artikel 6 Absatz 1 DSGVO ist eine Datenverarbeitung nur zulässig, wenn die betroffenen Personen eingewilligt haben oder eine andere gesetzliche Erlaubnisnorm erfüllt ist (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). In diesem Fall konnte sich die Zulässigkeit nur aus Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f DSGVO ergeben. Nach dieser Norm sind die berechtigten Interessen, die der Verantwortliche mit der Datenverarbeitung verfolgt, gegen die Rechte und Interessen der von der Videoüberwachung Betroffenen abzuwägen. Die anderen in Artikel 6 Absatz 1 DSGVO genannten Voraussetzungen lagen nicht vor. Darüber hinaus kam § 4 Absatz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) als Erlaubnisnorm für die Videoüberwachung nicht in Betracht, da für die Anwendung dieser Regelung aus europarechtlichen Gründen kein Raum bleibt.


Zu den berechtigten Interessen des Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f DSGVO zählen alle nicht von der Rechtsordnung missbilligten Interessen rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Auf reine Blankettformeln, wie der von der Hausverwaltung verfolgte Zweck der „Besserung der Sicherheitslage“, kann die Videoüberwachung jedoch nicht gestützt werden.


Soweit die Hausverwaltung mit der Videoüberwachung beabsichtigte, die Begehung von Straftaten wie Diebstahl und Sachbeschädigungen zu verhindern und die Taten verfolgen zu können, war zu berücksichtigen, dass zur Erreichung dieser Zwecke Alternativen zur Verfügung standen, wie z.B. eine bessere Beleuchtung und häufigere Kontrollen durch den Hausmeister oder zusätzliches Sicherheitspersonal. Denn höhere Kosten allein — etwa durch den Einsatz von zusätzlichem Personal — führen nicht dazu, dass Alternativmaßnahmen von vornherein außer Betracht bleiben dürfen.

Hinzu kam, dass keine konkret begründete, über dem Durchschnitt liegende Gefahr für die Begehung der befürchteten Delikte bestand. Eine bloße Behauptung oder die allgemeine Vermutung, dass Rechtsverletzungen zu erwarten sind, verleiht dem Interesse des Verantwortlichen kein höheres Gewicht. Auch der Hinweis, dass sich das Gelände in einer Grenzregion befinde, genügte nicht, um eine Gefährdungslage anzunehmen.

Aufseiten der Betroffenen war zu berücksichtigen, dass sie anlasslos erfasst wurden, ihre Bilddaten durch die Speicherung für eine weitere Aufbereitung, Auswertung und Verknüpfung mit anderen Informationen zur Verfügung standen und sie so einem Missbrauchsrisiko ausgesetzt waren. Eine Videoüberwachung ist ein erheblicher Eingriff in die Rechte der betroffenen Personen, wenn diese hierfür keinen ihnen zurechenbaren Anlass, etwa durch Rechtsverletzung, geschaffen haben, sondern als Unbeteiligte mitbetroffen sind. Die Mieterinnen und Mieter des im Erfassungsbereich liegenden Wohnhauses hatten zudem keine Ausweichmöglichkeit und gerieten zwangsläufig in den Erfassungsbereich der Videokameras, ohne sich diesem entziehen zu können.

Im Ergebnis war das Betreiberinteresse bei fast allen Kameras in der Abwägung geringer zu bewerten, als das Interesse der betroffenen Personen, nicht ungewollt Objekt einer Videoüberwachung zu werden.

Hiervon ausgenommen waren allerdings zwei Kameras, mit denen ein großflächiges Wandgemälde, welches dem Gewerbezentrum als Wahrzeichen diente, vor Schmierereien geschützt werden sollte. Da ein konkreter Vorfall nachgewiesen werden konnte und im unmittelbaren Bereich des Gemäldes kaum Personen von der Videoüberwachung betroffen waren, konnte sie auf die Rechtsgrundlage des Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f DSGVO gestützt werden und war damit erlaubt. Auch die Videokameras, die unmittelbar um die Diskothek das Gelände aus unterschiedlichen Perspektiven filmten, waren nach aktuellen Gewaltvorfällen, die weitere schwere körperliche Auseinandersetzungen befürchten ließen, wegen des überwiegenden Interesses des Verantwortlichen zulässig – allerdings nur während der Öffnungszeiten der Diskothek.

Um die unzulässigen Datenverarbeitungen zu unterbinden, machte die Landesbeauftragte von ihrer Befugnis gemäß Artikel 58 Absatz 2 Buchstabe f DSGVO Gebrauch, die es ihr als Aufsichtsbehörde gestattet, eine vorübergehende oder endgültige Beschränkung der Verarbeitung, einschließlich eines Verbots, zu verhängen.

Den Betrieb der Kameras, die u. a. das Wohnhaus, ein Bistro, die Fleischerei und Parkplätze erfassten, untersagte die Landesbeauftragte komplett und verpflichtete den Betreiber, dies durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen. In Frage kommt hierfür neben einem mechanischen Abdecken der Objektive vor allem der Abbau der Geräte. Bezogen auf die Kameras, die das Wandgemälde filmten, daneben jedoch auch großflächig Parkplätze und Hausfassaden erfassten, wurde dem Verantwortlichen aufgegeben, den Erfassungsbereich auf die unmittelbare Umgebung des Wandgemäldes zu beschränken. In Bezug auf die Kameras, die nach den Gewaltvorfällen der Diskothek zum Einsatz kamen, verpflichtete die Landesbeauftragte die Hausverwaltung, den Betrieb außerhalb der Öffnungszeiten des Clubs zu unterlassen.

Gegen den Bescheid hat der Verantwortliche Klage eingereicht. Die gerichtliche Entscheidung steht noch aus.

Quelle: LDA Brandenburg

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