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20.06.2021

Videoüberwachung in Schlachthöfen

In der Vergangenheit haben sich in Schlachthöfen in Niedersachsen und anderen Bundesländern wiederholt Verstöße gegen das Tierschutzgesetz ereignet. Häufig wurden diese Verstöße durch heimlich angefertigte Filmaufnahmen von Tierschutzorganisationen publik gemacht. Als Reaktion hierauf führten einige Schlachtbetriebe eine umfangreiche Videoüberwachung ein, um einen gesetzeskonformen Umgang mit den Tieren nachweisen zu können. Doch wie sind die Belange des Tierschutzes mit den oftmals durch die Videoüberwachung betroffenen Rechten der Beschäftigten in Einklang zu bringen?

Bereits im Februar 2019 hatte das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) eine freiwillige Vereinbarung mit mehreren Verbänden der fleischverarbeitenden Betriebe, dem Niedersächsischen Landkreistag sowie dem Niedersächsischen Städtetag zur Einführung von kameragestützten Überwachungssystemen in niedersächsischen Schlachthöfen zur Verbesserung des Tierschutzes getroffen. Demnach soll die Videoüberwachung sowohl zur Eigenkontrolle dienen als auch die amtliche Überwachung unterstützen, um im Verdachtsfall möglichen Tierschutzverstößen gezielt nachgehen zu können. Abläufe sollen dokumentiert und Prozesse verbessert werden.

Leitfaden zur Umsetzung der Vereinbarung

Aufgrund der Ausdehnung der Videoüberwachung wurden bei der Datenschutzaufsicht bis weit in das Jahr 2020 hinein etliche Beschwerden eingelegt, vor allem durch betroffene Beschäftigte der Schlachtbetriebe. Problematisch waren insbesondere die permanente Überwachung der Beschäftigten sowie die angestrebte mehrmonatige Speicherung der Bilddaten. Da sich Unternehmen auch immer wieder auf die mit dem ML getroffene Vereinbarung bezogen und dort um Unterstützung gegenüber der Aufsichtsbehörde nachfragten, erkannten alle Beteiligten den Bedarf an der Erarbeitung einer Handlungsempfehlung. Daher unterstützte ich das ML bei der Erstellung eines Leitfadens zur datenschutzrechtskonformen Umsetzung der 2019 getroffenen Vereinbarung.

Zu den wichtigen Eckpunkten dieses Leitfadens gehört der Hinweis, dass der Erfassungsbereich der Kameras so zu beschränken ist, dass nur tierschutzrelevante Bereiche erfasst werden. Bereiche, in denen sich Beschäftigte regelmäßig zur Arbeitserledigung aufhalten, müssen aus der Erfassung herausgenommen, verpixelt oder unkenntlich gemacht werden.

Datenschutzrechtliche Prüfungen

Bei durchgeführten Kontrollen der Videoüberwachung in Schlachthöfen wird jede Kamera einer Einzelfallüberprüfung unterzogen. Rechtsgrundlage für die Überwachung ist Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Demnach ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen der Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Lediglich der begründete Verdacht auf eine konkrete Straftat kann nach § 26 Absatz 1 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) ein berechtigtes Interesse an der begrenzten Überwachung einzelner Beschäftigter darstellen. Da diese Voraussetzungen in der Regel nicht oder zumindest nicht dauerhaft vorliegen, kann die dauerhafte Überwachung der Beschäftigten nicht darauf gegründet werden.

Teilweise wurde von den Betrieben geltend gemacht, dass die Überwachung Kundenanforderungen diene. Kundinnen und Kunden würden regelmäßig von den Schlachtbetrieben einen Nachweis darüber verlangen, dass bei der Schlachtung verantwortungsvoll unter Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorgaben gearbeitet wurde. Durch die Möglichkeit des Zugriffs auf die Video­aufzeichnungen der Schlachtbetriebe werde diese Kontrollmöglichkeit geschaffen. Auch lange Speicherfristen wurden mit Kundenanforderungen begründet. Das kann jedoch keine Grundlage für eine Videoüberwachung oder die Festlegung der Speicherdauer sein. Den Kundinnen und Kunden steht hierfür in der Regel keine eigene Rechtsgrundlage zur Verfügung.

Speicherfristen sind zu lang

Neben der Frage der Rechtsgrundlage waren bei den meisten der geprüften Unternehmen die Speicherfristen problematisch. Da die in der Vergangenheit von Tierschutzorganisationen gezeigten Aufnahmen mehrere Monate alt waren, bestand der Wunsch nach einer mehrmonatigen Datenspeicherung, um sich im Fall von Anschuldigungen mit dem Videomaterial verteidigen und ein tierschutzgerechtes Verhalten nachweisen zu können.

Nach Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe a DSGVO sind die Videoaufnahmen unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung der Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr notwendig sind. Ob eine Sicherung des Materials notwendig ist, dürfte grundsätzlich innerhalb von zwei Tagen geklärt werden können. Demnach sollten die Aufnahmen – unter Berücksichtigung des Grundsatzes der „Datenminimierung“ sowie des Grundsatzes der „Speicherbegrenzung“ gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c und Buchstabe e DSGVO – regelmäßig nach 48 Stunden gelöscht werden.

Eine längere Speicherung für die eventuell erforderliche Abwehr von Beschuldigungen kommt einer Vorratsdatenspeicherung gleich. Dieser stehen die schutzwürdigen Interessen der Beschäftigten oder anderen erfassten Personen entgegen. Je länger die Videobilddaten aufbewahrt werden, umso mehr nimmt der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu. Das Risiko eines unbefugten Datenzugriffs wächst mit der Dauer der Speicherung. Daher wird eine derartige lange Speicherung der Bilddaten zum Zweck der Schuldbefreiung von mir nur hingenommen, wenn diese keinen Personenbezug aufweisen. Denn für den Nachweis der gesetzeskonformen Behandlung der Tiere ist der Personenbezug nicht erforderlich.

Im Übrigen wird darauf  verwiesen, dass eine Videoüberwachung insbesondere dann dem Tierwohl dient, wenn eine Echtzeitbeobachtung erfolgt und im Bedarfsfall dem Tier unmittelbar geholfen wird.

Quelle: LfD Niedersachsen

Weitere unterstützende Hinweise zum Datenschutz finden Sie in diesen Beiträgen:

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