Videoüberwachung in einer Zahnarztpraxis
Eine Zahnärztin hatte im für jedermann zugänglichen Empfangs- und Wartebereich ihrer Praxis eine Videoüberwachungskamera installiert. Der vorhandene Empfangstresen blieb, da Personal fehlte, regelmäßig unbesetzt. Um dennoch den Empfangsbereich der Praxis im Blick haben zu können, übertrug die Kamera in Echtzeit das Geschehen auf Monitore in die Behandlungszimmer. Die Bilder wurden nicht gespeichert. An der Praxistür wies ein Schild mit der Aufschrift „videogesichert“ auf die Videoüberwachung hin.
Aufgrund einer Beschwerde prüfte die Aufsichtsbehörde die Zulässigkeit dieser Datenverarbeitung. Im Ergebnis ordnete die Landesbeauftragte bereits im Jahr 2012 an, die Kamera so auszurichten, dass der für Patientinnen und Patienten sowie sonstige Besucherinnen und Besucher zugängliche Bereich nicht mehr erfasst wird. Insoweit sah der Datenschutzbeauftragte des Landes Brandenburg einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften. Hiergegen wehrte sich die Zahnärztin erfolglos durch alle Gerichtsinstanzen. Zuletzt bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit unserer Anordnung.
So entschieden die Richter, dass der von der Zahnärztin angegriffene Verwaltungsakt allein nach altem Recht, nicht jedoch nach der zwischenzeitlich in Kraft getretenen Datenschutz Grundverordnung (DSGVO) beurteilt werden muss. Anzuwenden sei das Recht, das zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung Geltung hatte. Im vorliegenden Fall war demgemäß der Erlass des Widerspruchsbescheids im Januar 2013 der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgebliche Zeitpunkt. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Aufsichtsbehörde wurde folglich nach dem bis Mai 2018 geltende Bundesdatenschutzgesetz geprüft.
Die Zahnärztin hatte vorgetragen, die Videoüberwachung sei von berechtigten Interessen gedeckt. Dazu führte sie mögliche Straftaten wie den Diebstahl von im Empfangstresen aufbewahrten Betäubungsmitteln oder von Wertsachen an. Ebenso sei ein Eingreifen in Notfällen möglich, beispielsweise wenn „eingespritzte“ Patientinnen und Patienten nach der Behandlung noch im Wartezimmer sitzen. Überdies diene die Kamera der Senkung der Personalkosten.
Das Gericht folgte der bisherigen Rechtsprechung, wonach die Verhinderung und Aufklärung von Straftaten zwar grundsätzlich ein berechtigtes Interesse darstellen können. Jedoch seien sie nur dann zur Rechtfertigung heranziehbar, wenn sich aus tatsächlichen Erkenntnissen eine Gefährdungslage ergibt, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht. Reine Befürchtungen genügen nicht. Zudem könnte vorbeugend darauf verzichtet werden, Betäubungsmittel im unbesetzten Empfangstresen aufzubewahren. Patientinnen und Patienten könnten aufgefordert werden, ihre Wertsachen in die Behandlungsräume mitzunehmen.
Anders als von der Klägerin angenommen, ist die Videoüberwachung auch nicht zulässig, um Patientinnen und Patienten, die nach einer Betäubungsspritze im Wartezimmer sitzen, im Notfall betreuen zu können. Bereits die Vorinstanz hatte deutlich gemacht, dass mildere Mittel diese Zwecke ebenso erfüllen – beispielsweise der Einsatz zusätzlichen Personals oder ein Notfallknopf. Nicht überzeugt zeigte sich das Bundesverwaltungsgericht von dem pauschalen Verweis der Klägerin auf erheblich höhere Personalkosten im Falle des Verzichts auf eine Kamera. Zwar handele es sich durchaus um ein berechtigtes Interesse, Betriebskosten zu senken. Die Zahnärztin habe aber nicht darlegt, dass sie diese Kosten nicht auch durch andere Maßnahmen, beispielsweise durch organisatorische Umstrukturierungen, hätte vermeiden können. Kosteneinsparungen allein können die Zulässigkeit einer Videoüberwachung keinesfalls begründen.
Zwar beurteilte das Bundesverwaltungsgericht den Fall nach der alten Rechtslage, äußerte sich aber auch zur seit Mai 2018 geltenden. Es machte unmissverständlich klar, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Videoüberwachung durch nicht öffentliche Stellen, zu denen auch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte zählen, abschließend in Artikel 6 Absatz 1 DSGVO geregelt sind. Derartige Datenverarbeitungen können nicht auf Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e DSGVO gestützt werden, denn diese werden – im Gegensatz zu Behörden – nicht zur Erfüllung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt tätig. Demzufolge erfassen die Öffnungsklauseln des Artikels 6 Absatz 2 und 3 DSGVO, die dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit geben, weitere Rechtsgrundlagen zu schaffen, nicht die Datenverarbeitungen privater Verantwortlicher. Die nationale Bestimmung in § 4 Absatz 1 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz in der aktuellen Fassung ist daher mit dem Europarecht unvereinbar und im Ergebnis nicht anzuwenden. Nicht öffentliche Stellen können Videokameras in der Regel nur auf der Rechtsgrundlage des Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f DSGVO betreiben. Auch bei der Beurteilung nach dieser neuen Norm kommt es auf die Abwägung des berechtigten Interesses des Verantwortlichen mit denen der Betroffenen an. Diesbezüglich verwiesen die Richter auf ihre vorherige Argumentation zur alten Rechtslage.
Quelle: LDA Brandenburg
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