Ein Unternehmen hat seine Produktionshallen und sein Gelände, auf dem auch andere Unternehmen angesiedelt sind dauerhaft mit Kameras überwacht. Es holte dazu zwar Einwilligungen von Betroffenen ein, diese waren aber nicht wirksam. Die Aufsichtsbehördeordnete daraufhin an, die Kameras zumindest am Tag abzustellen, wogegen das Unternehmen gerichtlich vorging.
In einem Prüfverfahren teilte der Datenschutz Aufsichtsbehörde ein Unternehmen mit, dass es sein gesamtes Gelände zum Schutz vor Einbrüchen dauerhaft mit Kameras überwacht. Dabei nahm es jedoch nicht nur den Außenbereich der selbst genutzten Gebäude, sondern auch die Gebäude der anderen Unternehmen auf dem Grundstück, die Beschäftigten in den Produktionshallen sowie teilweise die Straße und Nachbarhäuser ins Visier. Da die ganztägige Überwachung bereits aufgrund der fehlenden Erforderlichkeit nicht auf Art. 6 Abs. 1 lit. f Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gestützt werden konnte, bat die Datenschutzbehörde das Unternehmen, die Überwachung auf die Nachtstunden zu begrenzen, in denen das Grundstück geschlossen ist.
Einwilligung erfüllt nicht die Vorgaben
Daraufhin holte das Unternehmen von den anderen ansässigen Betrieben Einverständniserklärungen zur ganztägigen Videoüberwachung ein. Der Text des verwendeten Vordrucks enthielt jedoch weder die Speicherdauer der Daten noch wurde auf die Möglichkeit des Widerrufs hingewiesen. Da somit die Bedingungen gemäß Art. 7 DSGVO für eine Einwilligung nicht vorlagen, kam Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO als Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung nicht in Frage.
Zudem waren auch Kunden, Lieferanten und Beschäftigte (sowohl eigene als auch der Fremdunternehmen) von der Videoüberwachung betroffen. Da von diesen ebenfalls keine wirksamen Einwilligungen vorlagen und aufgrund des damit verbundenen hohen Aufwands in der Regel auch nicht eingeholt werden können, war weiterhin keine Bedingung zur Rechtmäßigkeit gem. Art. 6 Abs.1 DSGVO erfüllt. Die Behörde forderte das Unternehmen daher erneut auf, Bereiche außerhalb des Grundstücks von der Kameraerfassung auszunehmen und die Überwachungszeiten auf die Schließzeiten des Grundstücks zu beschränken. Weiter wurde verlangt, die Speicherdauer zu begrenzen, die fehlenden Angaben nach Art. 13 DSGVO (Informationspflichten) auf der Hinweisbeschilderung zu ergänzen und das Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten gemäß Art. 30 DSGVO zuzusenden. Im Rahmen einer Anhörung wurde dem Unternehmen Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen.
Keine Zeit für die Aufsichtsbehörde
Der Kamerabetreiber teilte daraufhin mit, er habe in der Angelegenheit schon ausreichend Unterlagen zur Verfügung gestellt und hätte keine Zeit, sich mit mit der Datenschutz Aufsichtsbehörde auseinander zu setzen. Zudem übersandte er eine Einverständniserklärung in die Videoüberwachung, die alle seine Beschäftigten unterschrieben hätten. Allerdings waren über den Umfang der Überwachung noch weniger Angaben niedergelegt, als in der zuvor eingeholten Einverständniserklärung der weiteren Unternehmen.
Einwilligung im Beschäftigtenverhältnis meist kritisch
Da die Aufsichtsbehörde das Unternehmen im Vorfeld über die Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung aufgeklärt hatte, wurde das Unternehmen hingewiesen – wie zuvor angedroht – gemäß Art. 58 Abs. 2 lit. d und f DSGVO förmlich an, die Verarbeitung personenbezogener Daten mittels Videoüberwachung mit der DSGVO in Einklang zu bringen. Für die Außerbetriebnahme der Kameras während der Betriebszeiten wurde zudem Sofortvollzug angeordnet.
Letzteres ergab sich aus der besonderen Situation der Videoüberwachung im Beschäftigtenverhältnis. Der Verordnungsgeber hat für die Datenverarbeitung im Beschäftigtenkontext mit Art. 88 DSGVO die nationalen Gesetzgeber ermächtigt, eigene Regelungen zu treffen. Für Deutschland liegt eine solche Regelung mit § 26 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vor. Nach Absatz 2 der Vorschrift sind für die Beurteilung der Freiwilligkeit der Einwilligung insbesondere die im Beschäftigungsverhältnis bestehende Abhängigkeit der beschäftigten Person sowie die Umstände, unter denen die Einwilligung erteilt worden ist, zu berücksichtigen.
Gegen die Anordnung hat das Unternehmen Klage eingelegt.
Gericht: Kein Erlaubnistatbestand vorhanden
In seinem Beschluss vom 13. August 2019, Aktenzeichen 10 B 1883/19, hat das Verwaltungsgericht Hannover den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet abgelehnt. Es führte dazu aus, dass die Videoüberwachung in diesem Fall nicht durch einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand des § 26 BDSG gedeckt sei, da sie weder zur Aufdeckung von Straftaten erforderlich sei (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG) noch zur Durchführung des Beschäftigtenverhältnisses (§ 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG) oder auf Grundlage einer Einwilligung gemäß § 26 Abs. BDSG erfolge.
Zur Einwilligung führte das Gericht unter anderem aus, dass bei der Beurteilung der Freiwilligkeit einer Einwilligung auch der Zeitpunkt der Abgabe maßgeblich sei. So waren zum Zeitpunkt der Einwilligung die Kameras bereits installiert. Somit war die Hürde für die Beschäftigten, abzulehnen und dadurch diese Investition des Arbeitgebers zunichte zu machen, besonders hoch. Weiter sei der Zwang zur Unterschrift durch einen gewissen Gruppenzwang erhöht, da alle Beschäftigten auf demselben Schriftstück unterschreiben sollten. Ein wirtschaftlicher oder rechtlicher Vorteil für die Beschäftigten sei durch die Überwachung nicht erkennbar. Zudem fehle die Information, welche Folgen eine Ablehnung der Überwachung hätte.
Die Kameras in der Produktionshalle wurden aufgrund des Beschlusses während der Betriebszeiten außer Funktion genommen. Das Hauptverfahren war zum Ende des Berichtszeitraums noch nicht abgeschlossen.
Quelle: LfD Niedersachsen
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