Das Verwaltungsgericht Ansbach hat mit Urteil vom 03.05.2024 entschieden, dass ein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO durch einen arbeitsrechtlichen Vergleich erlöschen kann – selbst wenn der Verzicht auf diesen Anspruch nicht ausdrücklich formuliert wurde. Diese Entscheidung (VG Ansbach, Az. AN K 21.00653) betrifft Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen. Sie hat erhebliche praktische und rechtliche Auswirkungen auf künftige arbeitsrechtliche Vergleiche mit datenschutzrechtlichem Bezug.
Was ist passiert?
- Ein Arbeitnehmer forderte Auskunft nach Art. 15 DSGVO von seinem Arbeitgeber.
- Es kam zu einer außergerichtlichen Einigung. Inhalt: „Alle Ansprüche sind erledigt.“
- Der Arbeitgeber erteilte keine Auskunft.
- Die Beschwerde beim BayLDA blieb erfolglos.
- Die Klage gegen das BayLDA wurde vom VG Ansbach abgewiesen.
Das Gericht stellte klar: Der Vergleich umfasst auch datenschutzrechtliche Ansprüche, sofern diese bereits geltend gemacht wurden und sich der Verzicht aus dem Gesamtkontext ergibt. Eine ausdrückliche Nennung sei nicht erforderlich.
Was bedeutet das für Sie?
Das Urteil steht im Spannungsfeld zwischen dem grundrechtlich verankerten Datenschutz und der Privatautonomie im Arbeitsrecht. Der Auskunftsanspruch gilt grundsätzlich ohne Bedingung und ohne Begründungspflicht – er ist ein zentrales Betroffenenrecht. Die Entscheidung aus Ansbach verschiebt diese Linie zugunsten des Verzichts durch Vergleich.
Rechtliche Grundlage des Urteils:
- §§ 133, 157 BGB: Auslegung von Willenserklärungen.
- Art. 15 DSGVO: Recht auf Auskunft.
- Art. 58 Abs. 2 lit. c DSGVO: Befugnis der Aufsichtsbehörden zur Anweisung gegenüber Verantwortlichen.
Das Gericht verneint ein „Absolutheitsgebot“ des Auskunftsanspruchs. Maßgeblich ist der Einigungswille der Parteien im Rahmen des arbeitsrechtlichen Vergleichs.
Kritik und Einordnung
Diese Entscheidung widerspricht der Auffassung der Datenschutzaufsichtsbehörden, insbesondere:
- EDSA-Leitlinien 01/2022 betonen: Auskunftsansprüche können nicht durch vertragliche Regelungen ausgehebelt werden.
- Andere Gerichte (z. B. ArbG Düsseldorf, Urteil vom 05.03.2020 – 9 Ca 6557/18) haben in der Vergangenheit betont, dass datenschutzrechtliche Ansprüche nicht dispositiv seien.
Das VG Ansbach geht einen anderen Weg. Ob dieser Bestand hat, wird vermutlich der VGH Bayern oder der EuGH klären müssen.
Maßnahmen für Unternehmen
Wer in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen tätig wird, sollte dieses Urteil kennen und strategisch darauf reagieren. Folgende Maßnahmen sind empfehlenswert:
1. Vergleichstexte überarbeiten
- Klare und ausdrückliche Regelung: „Der Arbeitnehmer verzichtet auch auf datenschutzrechtliche Ansprüche aus der DSGVO, insbesondere Art. 15.“
- Hinweis auf bestehende Auskunftsersuchen im Text einfügen.
2. Dokumentation sicherstellen
- Schriftliche Belege über Auskunftsersuchen und Vergleichsinhalte aufbewahren.
- Klare Aktenvermerke zur Auslegung der Einigung führen.
3. Schulungen durchführen
- HR und Legal-Teams über die Reichweite datenschutzrechtlicher Ansprüche sensibilisieren.
- Musterformulierungen für Vergleiche anpassen.
4. Aufsichtskontakt prüfen
- Bei unklaren Fällen kann frühzeitiger Kontakt mit der Aufsichtsbehörde hilfreich sein.
- Auch die Möglichkeit einer datenschutzrechtlichen Risikofolgenabschätzung (DSFA) prüfen, wenn viele Vergleichsfälle betroffen sind.
Das VG Ansbach schafft einen neuen Interpretationsrahmen für den Verzicht auf Auskunftsansprüche nach der DSGVO im Arbeitsrecht. Die Entscheidung gibt Arbeitgebern neue Argumentationslinien – gleichzeitig entstehen neue Risiken für Beschäftigte.
Unternehmen sollten ihre arbeitsrechtlichen Vergleichsmuster überprüfen und rechtssicher gestalten. Datenschutzansprüche können unter bestimmten Voraussetzungen wirksam ausgeschlossen werden. Ob das der EuGH ebenso sieht, bleibt abzuwarten.
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