Wenn es eine Hitliste der häufigsten Datenschutzbeschwerden gäbe, würden sie einen der vorderen Plätze belegen:
Beschwerden über unverlangt zugesandte Werbung. Die Betroffenen fühlen sich von den ungewollten Postsendungen und E-Mails belästigt und fragen die Aufsichtsbehörden vielfach um Rat, wie sie diese Papier- und Newsletter-Flut eindämmen können.
Viele Betroffene nehmen an, Werbeansprachen wären nur dann datenschutzrechtlich zulässig, wenn sie dazu vorher ausdrücklich ihre Einwilligung gegeben haben. Das ist allerdings ein weit verbreiteter Irrtum. Tatsächlich verhält es sich so, dass E-Mail-Adressen, die unmittelbar von den betroffenen Personen im Rahmen einer Geschäftsbeziehung (Bestandskunden) erhoben wurden, grundsätzlich für Werbung genutzt werden können. Voraussetzung ist allerdings, dass dieser Zweck der E-Mail-Werbung entsprechend Art. 13 Abs. 1 lit c Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) den betroffenen Personen bei der Datenerhebung transparent dargelegt worden ist.
Überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO sind insbesondere dann nicht gegeben, wenn die in § 7 Abs. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) enthaltenen Vorgaben für elektronische Werbung eingehalten werden. So ist eine unzumutbare Belästigung durch E-Mail-Werbung nicht anzunehmen, wenn ein Unternehmer durch den Verkauf einer Ware oder Dienstleistung vom Kunden dessen E-Mail-Adresse erhalten hat und diese zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet. Das setzt voraus, dass der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und bei Erhebung der Adresse sowie jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er jederzeit widersprechen kann.
Bestand allerdings bislang keine Geschäftsbeziehung mit dem Empfänger, dürfen E-Mail-Adressen nicht ohne Weiteres für Werbung bzw. den Newsletter-Versand verwendet werden. Dies ist nur erlaubt, wenn hierfür eine vorher ausdrücklich erklärte Einwilligung gegeben ist, egal ob Verbraucher (B2C – business to customer) oder Kontaktpartner in Unternehmen (B2B – business to business) angesprochen werden.
Postalische Werbung ohne Einwilligung
Mit Werbesendungen per Post verhält es sich ebenfalls so, dass diese zulässig sind, solange eine gesetzliche Legitimierung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a – f DSGVO vorliegt. Auch hier käme es also nicht explizit auf eine Einwilligung der Beschwerdeführenden an. Dies gilt allerdings sowohl im Falle von elektronischer wie auch von postalischer Werbung nur, solange die Betroffenen keinen Gebrauch von ihrem Widerspruchsrecht gemäß Art. 21 Abs. 1 DSGVO gemacht haben.
Händler und Makler für Adressen
Vielfach fragen Bürgerinnen und Bürger zudem, wie die werbetreibenden Unternehmen an ihre Adresse gekommen sind. In diesem Zusammenhang wurde etwa das zögerliche Verhalten der Unternehmen beanstandet, Auskunft über die Datenherkunft zu erteilen. Bei der Auseinandersetzung mit diesen Beschwerden ist jedoch aufgefallen, dass vielfach noch unklar ist, dass die werbetreibenden Unternehmen meist gar nicht für den Versand des Werbematerials verantwortlich sind. So erheben Unternehmen nicht selbst Adressdaten, sondern nehmen die Dienste von Adresshändlern in Anspruch. Letztere übermitteln die Daten an einen unbeteiligten Dienstleister, den sogenannten Listbroker (zu Deutsch: Adressmakler). Dieser versendet dann das Werbematerial des Unternehmens. Dabei erfolgt vor dem Versand ein Abgleich mit der Sperrliste des Unternehmens und der Robinsonliste, um zu verhindern, dass Personen, die der Werbung widersprochen haben, angeschrieben werden
Somit werden die Versandadressen dem werbenden Unternehmen zunächst nicht bekannt. Das Unternehmen erhält vielmehr erst dann Kenntnis von den Daten, wenn der oder die Angeschriebene ein Angebot anfordert, einen Vertrag abschließt oder beispielsweise der Werbung widerspricht.
Einzig und allein der Dienstleister kann daher Auskunft über die Herkunft der Adresse erteilen. Alle Werbematerialien enthalten eine Auskunft darüber, wer im Sinne der DSGVO der verantwortliche Dienstleister ist beziehungsweise bei welchem Dienstleister Widerspruch nach Art. 21 DSGVO eingelegt werden kann. Dies ermöglicht den Bürgerinnen und Bürgern, den Verantwortlichen zu kontaktieren und weiteren Zusendungen zu widersprechen.
Unterrichtungspflichten bei Werbung per Post
Die Anmietung von Adressen über Dienstleister ist datenschutzrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, solange das Werbematerial die gesetzlichen Informationspflichten berücksichtigt. So müssen der für die personenbezogenen Daten Verantwortliche, das werbende Unternehmen und die Quelle der Daten aus einer Werbung eindeutig hervorgehen und klar ersichtlich sein. Bei der Auseinandersetzung mit diesen Beschwerden ist aufgefallen, dass bereits viele werbetreibende Unternehmen ihren Unterrichtungspflichten gegenüber den Angeschriebenen nachkommen. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass sich Aufsichtsbehörden auch zukünftig mit dem Thema befassen werden.
Ansonsten gilt: Erst wenn der Angeschriebene gegenüber der verantwortlichen Stelle Gebrauch von seinem Widerspruchsrecht gemäß Art. 21 Abs. 1 DSGVO macht, werden zuvor zulässige(r) Adresshandel und Werbung unzulässig.
Löschung und Widerspruch
Die vorliegenden Fälle zeigten, dass Bürgerinnen und Bürger häufig nicht ihren Widerspruch gegenüber der verantwortlichen Stelle geltend machen. Vielmehr verlangten viele lediglich die Löschung ihrer Adressdaten. Daraus ergibt sich folgendes Problem: Hat das Unternehmen wunschgemäß die Daten eines Betroffenen gelöscht, kann es trotzdem passieren, dass dieser wieder Werbung erhält. Nämlich dann, wenn das werbetreibende Unternehmen später Adressen kauft und die Daten wieder in den Adressbeständen enthalten sind.
Deshalb wird empfohlen, von Unternehmen nicht nur die Löschung der Daten zu verlangen, sondern zusätzlich auch Widerspruch einzulegen. Denn dann muss die Adresse in eine Werbe-Sperrdatei aufgenommen werden. Dies ermöglicht die Überprüfung, ob zu den jeweils neu erworbenen Adressen bereits ein Widerspruch vorliegt.
Quelle: LfD Niedersachsen
Weitere unterstützende Hinweise zum Datenschutz finden Sie in diesen Beiträgen:
- Kein Backup, kein Mitleid! Datensicherung mit NAS und Festplatte
- Datenpanne auf Reisen durch Visual Hacking- Blickschutz hilft.
- Denkanstoß – Daten(schutz)risiko USB-Stick, es passiert immer wieder
- Aktenvernichter für den Arbeitsplatz – Gegen Datenpannen auf Papier
- Tipp: Textpassagen mit einem Camoflage-Rollstempel unkenntlich machen
- Aufsichtsbehörde empfiehlt Buch: DSGVO /ePrivacy auf Websites umsetzen
- Recht im Online-Marketing: So schützen Sie sich vor Fallstricken zur DSGVO
Dieser Absatz enthält Affiliatelinks/Werbelinks