Zurück zur Übersicht
02.08.2021

Schuldner gesucht

Um den Schuldner eines Mandanten ausfindig zu machen, hatte eine Kanzlei sich mit einem Schreiben an die Bewohnerinnen und Bewohner eines Wohnhauses gewandt. Darin teilte die Kanzlei neben dem Namen der gesuchten Person mit, dass diese in dem Haus offiziell gemeldet sei, der Name sich jedoch nicht am Klingeltableau befinde. Versuche, die Person über die Hausverwaltung ausfindig zu machen, sie vor Ort persönlich anzutreffen und Post zuzustellen, seien gescheitert. Die Kanzlei bat die Nachbarinnen und Nachbarn um Mitteilung, ob der wegen offener Forderungen gesuchte Schuldner bei einer der Mietparteien wohne. In dem Schreiben wurde die Veranlassung einer Zwangsabmeldung bei der Meldebehörde angedroht, falls keine positive Rückmeldung seitens der Mieterinnen und Mieter zur gesuchten Person eingehen sollte.

Die Offenbarung der Informationen über den Schuldner gegenüber den Hausbewohner*innen war unzulässig. Insbesondere war die Versendung des Schreibens mit den personenbezogenen Daten des gesuchten Schuldners weder zur Wahrung berechtigter Interessen der Kanzlei noch zur Wahrung berechtigter Interessen des Mandanten als Gläubiger der Forderung erforderlich. Erforderlichkeit ist dann anzunehmen, wenn das durch die Datenverarbeitung verfolgte berechtigte Interesse tatsächlich erreicht werden kann und es hierfür kein anderes, gleich wirksames, aber mit Blick auf die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person weniger einschneidendes Mittel gibt. Dies bedeutet, dass das Vorliegen der Erforderlichkeit nur dann anzunehmen ist, wenn der beabsichtigte Zweck nicht genauso gut mit einem anderen, wirtschaftlich und organisatorisch zumut-
baren Mittel erreicht werden kann, das weniger in die Rechte der oder des Betroffenen eingreift.

Für die rechtswirksame Geltendmachung der vorliegenden Forderung bzw. die Zustellung des anwaltlichen Forderungsschreibens existieren andere, gleich geeignete und weniger in die Rechte des betroffenen Schuldners eingreifende Mittel. Die Kanzlei hätte ein gerichtliches Mahnverfahren einleiten können. Gemäß § 693 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) wird der Mahnbescheid in einem förmlichen Verfahren oder durch die Geschäftsstelle des Gerichts von Amts wegen zugestellt. Die Gerichtsgeschäftsstelle kann eine*n nach § 33 Abs. 1 des Postgesetzes (PostG) beliehene*n Unternehmer*in oder Justizbedienstete*n mit der Ausführung der Zustellung beauftragen. Ist in Einzelfällen die Zustellung durch die Geschäftsstelle oder die Post nicht möglich, kann die oder der Vorsitzende des Prozessgerichts eine*n Gerichtsvollzieher*in mit der Zustellung beauftragen.


Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sollten bei der Verarbeitung von Daten der gegnerischen Partei genau prüfen, ob alle gesetzlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind, um z. B. ein Forderungsschreiben zuzustellen. Es ist hingegen kein zulässiges Mittel, gegenüber Nachbarinnen und Nachbarn Informationen über eine gesuchte Person zu offenbaren, um deren Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Vielmehr müssen Kanzleien sich an die für zivile Rechtsverfahren vorgesehenen Zustellungsformen halten, auch wenn zuvor verschiedene Nachforschungsmaßnahmen (z. B. persönlich oder postalische Kontaktaufnahmeversuche) erfolglos waren.

Quelle: BInBDI

Weitere unterstützende Hinweise zum Datenschutz finden Sie in diesen Beiträgen:

Dieser Absatz enthält Affiliatelinks/Werbelinks