Reiseveranstalter will Fotos erzwingen
Ein Veranstalter von Jugend- und Schulreisen veröffentlichte zu Werbezwecken Foto- und Videomaterial von Jugendlichen unter 16 Jahren auf seiner Webseite und in sozialen Medien. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) werden die Veröffentlichungen als zu akzeptierende „Voraussetzung für die Buchung und Teilnahme an einer Reise“ festgesetzt. Eine Einwilligungserklärung war nicht vorgesehen. Ein klarer Verstoß gegen datenschutzrechtliche Anforderungen.
Über eine Beschwerde wurde die Datenschutz Aufsichtsbehörde auf die Geschäftspraxis des Reiseveranstalters aufmerksam. Bei der datenschutzrechtlichen Kontrolle wurde festgestellt, dass die Veröffentlichung der Fotos und des Videomaterials auf der eigenen Unternehmenswebseite und erst recht über die Social-Media-Plattformen rechtswidrig ist. Der Reiseveranstalter konnte keine Rechtsgrundlage für diese Verarbeitung nachweisen und wurde von mir verwarnt sowie zur Unterlassung aufgefordert.
Keine wirksame Einwilligung
Der Reiseveranstalter hatte keine wirksamen Einwilligungen der Reisenden eingeholt. Auch fehlten bereits die Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung, die freiwillig, informiert, transparent und eindeutig erteilt werden muss. Die Eindeutigkeit kann sich aus einer Erklärung, aber auch aus einem sonstigen Verhalten ergeben. Das Verhalten muss jedoch eindeutig auf das Einverständnis mit einer Datenverarbeitung zu einem bestimmten Zweck schließen lassen. Im ersten Fall liegt dann eine ausdrückliche, im zweiten Fall eine konkludente Einwilligung vor.
Eine ausdrückliche Einwilligung wurde von den Reisenden nicht eingeholt. Der Buchungsprozess war nicht so gestaltet, dass die Reisenden neben der Buchung eine von ihr erkennbar getrennte Einwilligung abgeben konnten. Die Reisenden haben auch keine konkludente Einwilligung, etwa durch Buchung der Reise abgegeben. Reisende erklären mit Abschluss eines Reisevertrags ihr Einverständnis damit, dass gegen Bezahlung reisetypische Leistungen erbracht werden. Dies sind der Transport, die Unterbringung und gerade im Falle von Jugend- oder Schulreisen die Betreuung der Jugendlichen. Auf ein Einverständnis mit der Veröffentlichung des Foto- und Videomaterials kann nicht geschlossen werden.
Fotos nicht zur Vertragserfüllung notwendig
Die Veröffentlichung des Foto- und Videomaterials war zur Erfüllung des Vertrages nicht erforderlich, so dass die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 lit. b Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nicht vorliegen. Was erforderlich ist oder nicht, richtet sich nicht nach den AGB, die in einen Vertrag einbezogen werden, sondern danach, was die Vertragsparteien als typischen Vertragsinhalt ansehen. Das, was nicht typisch ist, ist auch nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO datenschutzrechtlich erlaubt. Die Veröffentlichung von Foto- und Videomaterial ist keine typische Leistung eines Reisevertrags. Sie dient ausschließlich der Werbung für den Reiseveranstalter. Zwar können auch Datenverarbeitungen gesetzlich erlaubt sein, die zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen notwendig sind. Hierunter fallen jedoch nur solche Datenverarbeitungen, die auf Anfrage der Betroffenen erfolgen.
Kein überwiegendes berechtigtes Interesse
Gesetzlich erlaubt sind gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO auch Datenverarbeitungen, die zur Wahrung eines berechtigten Interesses erforderlich sind. Und zwar dann, wenn das Interesse des Verarbeiters an der Durchführung gegenüber dem Interesse des Betroffenen am Unterlassen der Verarbeitung überwiegt. Diese Voraussetzung war nicht erfüllt. Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sind – wie die Vorschrift betont – besonders schutzbedürftig. Damit fallen die Risiken, die mit einer Veröffentlichung von Abbildungen im Internet einhergehen (unbefugte Vervielfältigung, Manipulation, Missbrauch, globale Verfügbarkeit), erschwerend ins Gewicht.
Keine Erlaubnis nach KUG
Eine Erlaubnis zur Veröffentlichung des Foto- und Videomaterials ergab sich auch nicht aus dem Kunsturhebergesetz (KUG). Danach sind Veröffentlichungen von Fotos und Videos von Menschen auch ohne deren Einwilligung zulässig, wenn ein zeitgeschichtliches Ereignis oder eine Versammlung vorliegen, die Abgebildeten in den Hintergrund treten oder die Veröffentlichung künstlerischen Zwecken dient.
Ein solcher Fall lag nicht vor. In den Veröffentlichungen standen die Jugendlichen im Vordergrund und es fehlte der Bezug zu zeitgeschichtlichen Ereignissen und Versammlungen. Die Veröffentlichungen dienten gewerblichen und damit nicht künstlerischen Zwecken. Letztlich waren diese Aspekte aber zweitrangig, denn der erhöhte Schutzbedarf von Jugendlichen wirkt sich spätestens im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung nach § 23 Abs. 2 KUG zulasten der Veröffentlichung aus.
Verpixelung reicht aus
Der Reisveranstalter konnte meiner Unterlassungsanordnung dadurch genügen, indem er die abgebildeten Jugendlichen verpixelte und das Videomaterial kürzte. Eine vollständige Entfernung der Fotos und Videos war nicht notwendig.
Im Dialog mit dem Unternehmen konnten wichtige Eckpunkte für eine datenschutzkonforme Einwilligungserklärung skizziert werden. Damit ist dieser Fall ein Beispiel dafür, dass Kontrolle und Beratung sich nicht ausschließen, sondern ergänzen können.
Quelle: LfD Niedersachsen
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