Reichsbürger und Datenschutzaufsicht
Reichsbürger beim TLfDI: Wenn Argumente nicht mehr helfen
Nach § 8 Abs. 1 ThürDSG kann sich jede Person an den TLfDI wenden, wenn sie der Ansicht ist, dass sie bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten in ihren Rechten verletzt worden ist. Auch wenn diese Regelung für so genannte „Reichsbürger“ aus Thüringen gilt, so hat der TLfDI in den letzten Jahren Erfahrungen gesammelt, wie er mit den Anliegen dieser Menschen, die den demokratischen Rechtsstaat ablehnen und ihn sogar bekämpfen, umgeht.
In den letzten Jahren hat sich auch die Zahl der Beschwerden, die beim Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (TLfDI) von so genannten Reichsbürgern oder Personen, die dieser Gruppe zugerechnet werden können, eingegangen sind, erhöht.
Die Leserin/ der Leser dieses Beitrags wird sich nun fragen, woran man einen Reichsbürger erkennt beziehungsweise, ob es eine allgemein gültige Definition des Begriffs „Reichsbürger“ gibt? Laut Glossar der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) bezeichnen sich als „Reichsbürger“ oder auch „Reichsregierungen“ mehrere sektenartige Gruppen von Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern. Diese Gruppen behaupten, das Grundgesetz sei eine „Fortsetzung des Krieges gegen das Deutsche Reich“ und die Bundesregierung ein von „den westlichen Siegermächten aufgezwungenes Statut der Fremdherrschaft über das Deutsche Volk“. Als Konsequenz weigern sich die Reichsbürger, Steuern zu zahlen und erkennen die deutsche Gesetzgebung nicht an. Manche stellen eigene Reisepässe und Führerscheine ihres Fantasiestaates her und ernennen sich selbst zu „Ministern“ verschiedener Regierungen.
Mit solchen „Regierungen“ oder „Ministern“ hatte der TLfDI in den letzten Jahren keinen Kontakt, es trugen aber verschiedene Personen aus dem Umfeld der Reichsbürger ihre Beschwerden beim TLfDI vor. Die meisten von ihnen ließen sich bereits deshalb zur Reichsbürgerszene zuordnen, weil sie zu ihrem Nachnamen noch einen – meist recht eigenwilligen – Namenszusatz verwendeten. Hier einige Beispiele kurioser Beschwerden und Eingaben an den TLfDI:
Ein Reichsbürger war offensichtlich mit dem Gesetz in Konflikt geraten und erkannte die Schriftstücke und Ladungen eines Thüringer Amtsgerichts nicht an. Daher leitete er seine sämtliche Gerichtspost an die Poststelle des TLfDI weiter. Dessen Aufforderungen, dies zu unterlassen, fruchteten zunächst nicht. Erst als der TLfDI gegenüber dem Reichsbürger ankündigte, dessen Gerichtspost an das Gericht postwendend zurückzusenden und diese Ankündigung auch vollzog, ließ der Reichsbürger von seinem Versuch ab, den TLfDI als seine persönliche Poststelle einzusetzen.
Mit der Postzustellung hatte auch ein anderer „Reichsbürger-Fall“ beim TLfDI zu tun: Ein Vertreter der Reichsbürger-Szene – wiederum deutlich am entsprechenden Namenszusatz zu erkennen – beschwerte sich beim TLfDI darüber, dass die mit ihm korrespondierenden Behörden nicht den nach seiner Ansicht für ihn zutreffenden Namen auf den Schreiben verwendeten. Daher hatte er „seine Poststelle“ angewiesen, diese Behördenschreiben nicht anzunehmen. Mit diesem „Problem“ hatte auch der TLfDI dann zu „kämpfen“: Seine Eingangsbestätigung, die korrekt an den Vor- und Nachnamen des Beschwerdeführers adressiert war, kam prompt zurück – weil der Reichsbürger auch beim Schreiben des TLfDI keine Ausnahme von seiner Regel zuließ, dass ihn nur Briefe mit dem aus seiner Sicht „richtigen“ Namen erreichen durften. Der TLfDI hat dem Mann dann noch einmal mitgeteilt, dass er ihm leider nicht helfen könne, wenn er die Briefe des TLfDI nicht annimmt. Ob diese Nachricht des TLfDI den Reichsbürger jemals erreicht hat, ist nicht bekannt!
Last but not least soll hier noch von einem dritten Fall mit Reichsbürger-Bezug berichtet werden, bei dem es ebenfalls um den Empfang von Gerichtspost ging. Ein Bürger beschwerte sich über seinen Bevollmächtigten – ein hinlänglich bekannter Reichsbürger – darüber, dass ein Thüringer Amtsgericht ihn mehrfach unter einer falschen Adresse kontaktiert habe. Daraus leitete der Beschwerdeführer dann ab, eine dritte Person habe Zugang zu seinen personenbezogenen Daten erhalten, weil diese dritte Person die Schreiben des Amtsgerichts unter der Adresse erhalten hätte. Der TLfDI konnte durch Kontaktaufnahme mit dem Amtsgericht jedoch schnell und präzise nachweisen, dass dieses den Beschwerdeführer zwei Mal unter seiner falschen Adresse angeschrieben hatte. Diese beiden Schreiben waren aber jedes Mal von der Post an das Amtsgericht zurückgeleitet worden, sodass kein Dritter die personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers aus den Gerichtsschreiben zur Kenntnis nehmen konnte. Dieses Ergebnis teilte der TLfDI dem Beschwerdeführer mit und zeigte ihm den möglichen Rechtsweg gegen den TLfDI-Bescheid auf. Dagegen hat der Beschwerdeführer nicht geklagt – auch wenn sein Bevollmächtigter nicht mit dem Inhalt des TLfDI-Bescheids einverstanden war und dies lauthals gegenüber dem TLfDI am Telefon kundtat.
Fazit:
Auch wenn die geschilderten drei Fälle recht kurios anmuten und vielleicht beim Leser/ bei der Leserin dieses Tätigkeitsberichts zu dem Gedanken führen, ob die Mitarbeitenden beim TLfDI denn nichts Besseres zu tun haben, als sich mit wirren Beschwerden von Reichsbürgern zu beschäftigen, so sollen sie drei Dinge deutlich machen:
- Erstens: Gemäß § 8 Abs. 1 Thüringer Datenschutzgesetz (ThürDSG) kann sich jede betroffene Person unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs mit einer Beschwerde unmittelbar an den TLfDI wenden, wenn sie der Ansicht ist, bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch öffentliche Stellen des Landes in ihren Rechten verletzt worden zu sein.
- Zweitens: Auch dem TLfDI ist bewusst, dass er zuweilen die von ihm kontaktierten öffentlichen Stellen mit zusätzlicher Arbeit belegt – wenn sich ein Reichsbürger einmal wieder mit rechtlich oder tatsächlich fragwürdigen Beschwerden an den TLfDI gewandt hat. Zu bedenken ist dabei aber zum einen, dass auch die Vertreter aus der Reichsbürgerszene zunächst einmal uneingeschränkt das Recht haben, sich gemäß § 8 Abs. 1 ThürDSG an den TLfDI zu wenden. Zum anderen ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch der TLfDI „seine (Thüringer) Pappenheimer“ mittlerweile kennt und sich mit legalen Mitteln zu helfen weiß, wie man sich nicht „vor den Karren“ von Reichsbürgern „spannen“ lässt.
- Drittens: Auch der TLfDI hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder die Frage gestellt, warum Reichsbürger ihn einschalten, wenn die Institution des Datenschutzbeauftragten zu einem System gehört, das sie, die Reichsbürger, eigentlich ablehnen!
Quelle: LfDI Thüringen
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