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16.02.2021

Regierung Niedersachsen kein Vorbild

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2018 zur gemeinsamen Verantwortlichkeit des Betreibers einer Fanpage und des Unternehmens Facebook war für den Datenschutz sehr wichtig Allerdings führt selbst ein Urteil des EuGH offensichtlich nicht unmittelbar dazu, dass Verantwortliche in der Praxis Konsequenzen ziehen.

Von der Datenschutzkonferenz (DSK) wurde die Entscheidung des EuGH zu Fanpages bei Facebook durch insgesamt drei Veröffentlichungen bekannt gemacht: eine Entschließung vom 5. Juni 2018, einen Beschluss vom 5. September 2018 sowie eine Positionierung vom 1. April 2019. Fazit aller drei Papiere ist, dass ein datenschutzkonformer Betrieb einer Fanpage vorerst nicht möglich ist.

Facebook hat zwar auf die EuGH-Entscheidung reagiert und ein Addendum als Vertrag über die gemeinsame Verantwortlichkeit veröffentlicht. Ein solcher Vertrag ist eine zwingende Voraussetzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Allerdings wurde mittlerweile bereits die zweite geänderte Version des Addendums von einer Arbeitsgruppe der DSK überprüft – mit dem Ergebnis, dass dieses nicht ausreichend ist, um die Vorgaben des Datenschutzrechts zu erfüllen. Darüber hinaus bestehen vor allem bezogen auf Personen, die keinen Account bei Facebook haben, erhebliche Zweifel, auf welche Rechtsgrundlage der Seitenbetreiber die Übermittlung der Nutzerdaten beim Aufruf der Fanpage an Facebook stützen will. Einwilligungen werden für diesen Vorgang nicht eingeholt.

Öffentliche Stellen haben Vorbildfunktion

Die Entscheidung des EuGH gilt gleichermaßen für öffentliche wie für nicht-öffentliche Stellen, die eine Fanpage bei Facebook betreiben. Allerdings vertritt die Datenschutzaufsicht die Auffassung, dass die öffentlichen Stellen in besonderer Weise an die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften gebunden sind. Sie haben eine Vertrauensstellung gegenüber der Gesellschaft zu erfüllen und sollten eine Vorbildfunktion ausüben.

Daher informierte die Behörde zunächst mit Schreiben vom 21. Juni 2018 die Staatskanzlei und alle niedersächsischen Ministerien über die Entscheidung des EuGH. Das Schreiben enthielt die klare Aufforderung, bestehende Fanpages (unverzüglich) zu deaktivieren. Auf dieses Schreiben erfolgte keine Reaktion. Die Überprüfung der Fanpages bei Facebook ergab, dass unter anderem der Ministerpräsident, einige Mitglieder des Kabinetts sowie das Umweltministerium aktiv Fanpages betrieben.

Landesregierung handelt bewusst datenschutzwidrig

Auf ein weiteres Schreiben an die betroffenen Stellen, das Ende Mai 2019 versandt wurde, erhielt die Datenschutzaufsicht schließlich Anfang Juli 2019 eine schriftliche Stellungnahme der Staatskanzlei im Namen der gesamten Landesregierung. Darin wird bestätigt, dass das Unternehmen Facebook hinter den Vorgaben der DSGVO zurückbleibt und weitere Maßnahmen zur Herstellung der Rechtskonformität notwendig seien. Es sei dennoch in einer Gesamtabwägung zwischen dem Verstoß gegen die DSGVO durch den Betrieb von Fanpages durch Teile der Landesregierung einerseits und der „Wahrnehmung des Informationsauftrags und der notwendigen Öffentlichkeitsarbeit in Zeiten der Politikverdrossenheit andererseits“ bewusst entschieden worden, die sozialen Netzwerke Facebook und Instagram weiterhin zu nutzen. Zudem weist die Staatskanzlei darauf hin, dass es auch darum ginge, „den Bürgerinnen und Bürgern in Niedersachsen zu zeigen, dass Politikerinnen und Politiker ganz normale Menschen mit Schwächen und Stärken sind und mitunter auch mal schräge Dinge tun.“ Die Landesregierung handelt somit bewusst und gewollt datenschutzwidrig.

Der Abwägungsentscheidung der Staatskanzlei kann die Datenschutzaufsichtsbehörde nicht zustimmen. Das Verhalten der Landesregierung bestätigt und festigt die Vormachtstellung des Unternehmens Facebook in seinem datenschutzwidrigen Geschäftsgebaren. Solange sich nicht einmal die staatlichen Stellen aus dem sozialen Netzwerk zurückziehen, wird kein Änderungsdruck auf das Unternehmen ausgeübt. Gerade diese müssen als Vorbild wirken, an dem sich u.a. Wirtschaftsunternehmen orientieren können.

Durchsetzung des EuGH-Urteils wird erschwert

Durch den fortgesetzten Betrieb der Fanpages der Landesregierung fühlen sich die Unternehmen unter Umständen darin bestätigt, ebenfalls nicht auf die Nutzung von Facebook zu verzichten. Letztlich verhält sich die Landesregierung nicht nur datenschutzwidrig, sondern bewirkt zudem, dass mir die Rechtsdurchsetzung der EuGH-Entscheidung auch im nicht-öffentlichen Bereich gegenüber Unternehmen, Handwerk, Freiberuflern und Vereinen erheblich erschwert wird. Ende Oktober 2019 wurde von Facebook ein überarbeitetes Addendum veröffentlicht, mit dem sich die DSK auseinandersetzt. Mit einer Bewertung und einer Abstimmung des weiteren Vorgehens wird im ersten Quartal 2020 gerechnet.

Der Datenschutzaufsichtsbehörde ist bewusst, dass primär Maßnahmen gegen Facebook selbst getroffen werden müssten. Solange dies nicht geschieht, ist das Vorgehen gegenüber Behörden und Unternehmen nur als Mittel zweiter Wahl anzusehen. Doch bedauerlicherweise übt die für Facebook zuständige irische Datenschutzaufsichtsbehörde bislang zu wenig Druck aus, um das Unternehmen zu einer tatsächlichen Kurskorrektur zu bewegen. Allerdings kann und darf dies nicht dazu führen, dass ein rechtswidriger Zustand geduldet wird.

Die Datenschutzaufsichtmich wird sich dafür einsetzen, dass in der DSK eine bundeseinheitliche Vorgehensweise für den Umgang mit Fanpages von öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen erreicht werden kann. Darüber hinaus wird die DSK die notwendigen Schritte einleiten, um auf europäischer Ebene die anderen Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, dass ein gemeinschaftliches Vorgehen gegen Facebook notwendig ist.

Es ist auch 2020 als eine wichtige Aufgabe, im Zuständigkeitsbereich der Datenschutzaufsicht weiter darauf hinzuwirken, dass die Entscheidung des EuGH in Niedersachsen in der Praxis umgesetzt wird.

Quelle: LfD Niedersachsen

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