Die Datenschutzaufsicht erreichen häufig Anfragen zur datenschutzkonformen Aufbewahrung von Patient*innenakten im Fall einer Praxisübernahme. Hier stellt das sog. „Zwei-Schrank-Modell“ eine praktikable Lösung dar.
Aus dem Behandlungsvertrag ergibt sich gemäß § 630f Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für Ärzt*innen eine vertragliche Nebenpflicht zur Aufbewahrung der Patient*innenunterlagen für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen. Diese Verpflichtung bleibt auch im Falle einer Praxisaufgabe bestehen.
Korrespondierend zu der Aufbewahrungspflicht räumt § 630g Abs. 1 BGB Patient*innen das Recht ein, innerhalb der Aufbewahrungsfrist Einsicht in ihre Patient*innenakten zu nehmen. Zwar trifft die Aufbewahrungspflicht gemäß § 630f Abs. 3 BGB vorrangig die behandelnden Ärzt*innen. Gemäß § 10 Abs. 4 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärzt*innen haben diese aber nach Aufgabe der Praxis ihre Aufzeichnungen und Untersuchungsbefunde aufzubewahren oder dafür Sorge zu tragen, dass sie in gehörige Obhut gegeben werden. Daraus folgt, dass Praxisnachfolger*innen die Aufzeichnungen unter Verschluss halten müssen. Sie dürfen diese nur mit ausdrücklicher Einwilligung der Patient*innen einsehen oder weitergeben.
Im Falle einer Praxisaufgabe muss einerseits eine Situation geschaffen werden, bei der die Aufbewahrungspflicht unter Beachtung der ärztlichen Schweigepflicht erfüllt wird. Andererseits muss aber auch die Möglichkeit des Zugriffs auf die Patient*innenakten, sei es zum Zwecke der Einsicht durch Patient*innen, sei es zum Zwecke der Fortführung der Behandlung durch Praxisnachfolger*innen, gewahrt bleiben. Hierzu bietet sich das sog. „Zwei-Schrank-Modell“ an. Dabei werden die Akten der Patient*innen, die bereits vor der Praxisübergabe ihr Einverständnis für eine Weiterbehandlung erklärt haben, an die Praxisnachfolger*innen in einem „1. Schrank“ übergeben. Über die übrigen Patient*innenakten im „2. Schrank“ wird vor Übergabe ein Verwahrungsvertrag zwischen Praxisverkäufer*in und Praxisübernehmer*in geschlossen. Darin verpflichten sich die Übernehmer*innen unter Androhung einer Vertragsstrafe, Patient*innenakten aus dem zweiten Schrank nur dann in den ersten Schrank zu übernehmen, wenn die Patient*innen ihr Einverständnis hierzu erteilen. Auf diese Weise wird einerseits der Inhalt der Patient*innenakten gesichert, solange Betroffene keine explizite Einwilligung zur Kenntnisnahme erteilen. Andererseits wird das Recht der Patient*innen gewahrt, unproblematisch Zugriff auf ihre Akten zu bekommen.
Eine theoretische Alternative dazu wäre eine datenschutzkonforme Aufbewahrung der Patient*innenakten durch eine*n Dritte*n an einem anderen Ort. Dies wäre im Rahmen einer Auftragsverarbeitung gemäß Art. 28 DSGVO auch ohne Einwilligung des Betroffenen möglich.
Obige Ausführungen sind entsprechend auf elektronische Patient*innenakten übertragbar.
Das sog. „Zwei-Schrank-Modell“ stellt eine praktikable Lösung dar, Patient*innenakten sowohl unter Beachtung von Aufbewahrungsfristen und ärztlichen Schweigepflichten als auch unter Wahrung der Möglichkeit des Zugriffs auf die Patient*innenakten zu Einsichts- oder Weiterbehandlungszwecken datenschutzkonform aufzubewahren.
Quelle: LDI NRW
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