Wann Bewerbungsunterlagen nach einem erfolglosen Auswahlverfahren zu löschen sind, hängt maßgeblich davon ab, ob die ausschreibende Stelle eine öffentliche oder nicht-öffentliche Stelle ist.
Im Berichtszeitraum erreichten dem HmbBfDI immer wieder Fragen sowohl von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern als auch von Bewerberinnen und Bewerbern zur Löschung von Bewerbungsunterlagen nach Beendigung des Auswahlverfahrens. In der überwiegenden Anzahl der Fälle stellte sich die Frage der Speicher- bzw. Löschfristen der Bewerbungsunterlagen nach Abschluss eines Bewerbungsverfahrens. Sofern das Bewerbungsverfahren mit einer positiven Auswahlentscheidung endet, sind die Bewerbungsunterlagen in die Personalakte (wenn vorhanden) zu überführen. Endet das Bewerbungsverfahren hingegen mit einer Ablehnung (sog. Negativentscheidung), sind die Bewerbungsunterlagen der unterlegenen Bewerberinnen und Bewerber zu löschen (beziehungsweise an die Bewerberin oder den Bewerber zurückzugeben).
Art. 88 Abs. 1 DSGVO i.V.m. § 26 BDSG als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von Bewerberdaten im nicht-öffentlichen Bereich schweigt hierzu. Datenschutzrechtlich ergibt sich diese Verpflichtung daher aus den Grundsätzen der Datenminimierung und der Speicherbegrenzung. Personenbezogene Daten sind folglich unverzüglich zu löschen, sobald ihre Kenntnis für die Erfüllung des Zwecks der Speicherung nicht mehr erforderlich ist. Der Zweck ist hier das Bewerbungsverfahren, das mit dem Ablehnungsschreiben endet, sodass die Bewerbungsunterlagen nach Absenden des Ablehnungsschreibens gelöscht werden müssen. Beide Grundsätze können sich aber sowohl für die ausschreibende Stelle als auch für die unterlegenen Bewerberinnen und Bewerber nachteilig auswirken und zu einer Beweisnot führen, nämlich dann, wenn Rechtsansprüche aus dem Bewerbungsverfahren von unterlegenen Bewerberinnen und Bewerbern geltend gemacht werden. Daher ist es datenschutzrechtlich vertretbar, dass die ausschreibende Stelle die Bewerbungsunterlagen und/oder eine Dokumentation über das Bewerbungsverfahren für einen gewissen Zeitraum aufbewahrt, um sich gegen Rechtsansprüche der unterlegenen Bewerberin bzw. Bewerber zu verteidigen. Entscheidend für die Länge der Frist ist die Frage, innerhalb welchen Zeitraums nach Zugang eines Ablehnungsschreibens Rechtsansprüche von unterlegenen Bewerberinnen und Bewerbern eingehen können. Als Maßstab wird hier die Frist von sechs Monaten gesehen. Diese Frist ergibt sich aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bei einem etwaigen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot. Diese Frist berechnet sich wie folgt: Nach dem AGG müssen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche innerhalb einer Zweimonatsfrist nach Zugang des Ablehnungsschreibens geltend gemacht werden (§ 15 Absatz 4 AGG). Nur wenn innerhalb dieses Zeitraums Ansprüche gegenüber der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber erhoben werden, schließt sich die dreimonatige Frist des § 61b Absatz 1 Arbeitsgerichtsgesetz an, die mit der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Arbeitgeber nach § 15 Absatz 4 Satz 1 AGG beginnt. Im Ergebnis führt dies zu einer Aufbewahrungsfrist von fünf Monaten plus einem Monat für die Abwicklung.
Verantwortliche Stellen dürfen jedoch nicht auf die starre Speicherfrist von sechs Monaten beharren, wenn die betroffene Person spätestens zwei Monate nach Erhalt des Ablehnungsschreibens die Löschung ihrer personenbezogenen Daten begehrt und in der Zwischenzeit keine Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche geltend gemacht wurden. In diesen Fällen entfällt die Erforderlichkeit der weiteren Speicherung und die Daten sind umgehend zu löschen.
Möchte ein Arbeitgeber die personenbezogenen Daten darüber hinaus speichern (zum Beispiel zum Zwecke einer zukünftigen Berücksichtigung bei weiteren Stellenangeboten), bedarf es der ausdrücklichen und schriftlichen oder elektronischen Information und Einwilligung der Bewerberinnen und Bewerber. Diese sollte im Idealfall mit der Absendung des Ablehnungsschreibens oder – abhängig von der Ausgestaltung des Bewerbungsverfahrens – zu Beginn des Bewerbungsverfahrens eingeholt werden. Anders sieht es jedoch im öffentlichen Bereich aus. Hier hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 6 HmbDSG zwar eine ausdrückliche und unverzügliche Löschverpflichtung bei erfolglosen Bewerbungsverfahren vorgesehen. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes enthält jedoch Satz 2 bei Vorliegen überwiegender berechtigter Interessen der Daten verarbeitenden Stelle. Überwiegende berechtigte Interessen können auch hier Ansprüche nach dem AGG sein. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, Bewerbungsunterlagen für einen längeren Zeitraum als sechs Monate zu speichern und zwar dann, wenn Ablehnungsbescheide nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen werden. In diesen Fällen müssen Bewerbungsunterlagen aufgrund der Notwendigkeit zur Beweisführung bei potentiellen Konkurrentenklagen mindestens für die Dauer von einem Jahr gespeichert werden.
Der HmbBfDI erfuhr im Rahmen der Prüfung der Digitalisierung des Bewerbungsverfahrens und der Einführung des Bewerbungsmanagement Systems in der FHH (BMS-Verfahren), dass die FHH personenbezogene Daten unterlegener Bewerberinnen und Bewerbern regelhaft für die Dauer von 400 Tagen speichert. Eine daraufhin eingeholte Stellungnahme vom Personalamt ergab, dass Absageschreiben an die unterlegenen Bewerberinnen und Bewerber in der FHH üblicherweise nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen werden, sodass zumindest theoretisch etwaige Rechtsmittel noch bis zu einem Jahr nach der Absage eingelegt werden könnten. Daher müssen die Bewerbungsdaten nach Abschluss des Auswahlverfahrens regelmäßig noch mindestens 400 Tage (Jahresfrist + 35 Tage für die Abwicklung) aufbewahrt werden. Die Speicherdauer ist datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden, denn gem. § 37 HmbVwVfG besteht keine Pflicht, Verwaltungsakte mit einer Rechtsbehelfsbelehrung (RBB) zu versehen (anders im Bundesrecht gem. § 37 Abs. 6. VwVfG, wonach schriftliche oder elektronische Verwaltungsakte, die der Anfechtung unterliegen, mit einer RBB versehen werden müssen). Eine Pflicht zur Erteilung einer RBB ergibt sich auch nicht aus § 58 VwGO, ebenso wenig aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG, dem Recht auf effektiven Rechtsschutz des Art. 19 Abs. 4 GG oder dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Es existieren auch keine anderweitigen gesetzlichen Vorschriften, die eine derartige Pflicht statuieren, sodass die ausschreibenden Behörden demgemäß nicht verpflichtet sind, ihre – anfechtbaren – Entscheidungen mit einer RBB zu versehen. Überwiegende berechtigte Interessen können bei mehrstufigen Bewerbungsverfahren mitunter auch zu verhältnismäßig langen Speicherfristen führen. Diese langen Speicherfristen können datenschutzrechtlich erforderlich und damit vertretbar sein, wenn sich das Bewerbungsverfahren durch Besonderheiten und mehrere Prüfungsetappen auszeichnet. So sind z.B. bei der Polizei die gesundheitlichen Voraussetzungen eingehend geregelt. Ansonsten geeignete Bewerberinnen und Bewerber können zunächst aus behebbaren Gründen (z.B. fehlender Nachweis der Schwimmbefähigung oder fehlende erforderliche Bildungsvoraussetzungen) scheitern. Bei einer größeren Zahl von Wiederholungsbewerbungen kann es auch sachgerecht sein, das Einstellungsverfahren nicht wiederholt in allen Stufen durchzuführen, wenn eine erhebliche Anzahl solcher Bewerbungen schon durch einen Rückgriff auf frühere Unterlagen ausgeschlossen werden kann, so z.B. wenn die Bewerberin oder Bewerber als absolut ungeeignet für den Polizeivollzugsdienst eingestuft wurden. Gerade bei diesen Bewerberinnen und Bewerbern, ist jedoch zu beachten, dass die Speicherfristen dabei nicht als absolute und starre Speicherfristen ausgerichtet sein dürfen, sondern als Prüffrist angelegt werden müssen, um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu wahren.
Unter Umständen sind nämlich auch bei als absolut ungeeignet eingestuften Bewerberinnen und Bewerbern Konstellationen denkbar, die bei einer Neubewertung zu einer anderen Einstufung führen können. Dies kann Bewerberinnen und Bewerber betreffen, die sich als Jugendliche oder Heranwachsende bei der Polizei bewerben und Ermittlungsverfahren verschweigen, weil sie die betreffenden Risiken, Folgen und Garantien nicht einschätzen können. Längst vergangene „Jugendsünden“ würden so zu einer Stigmatisierung führen, die bis zum Ablauf des Einstellungsalters (bis zum 35. Lebensjahr) andauern kann. Hierauf hat der HmbBfDI die Polizei Hamburg im Rahmen der Prüfung einer Beschwerde aufmerksam gemacht. Die Polizei Hamburg konnte die Argumentation des HmbBfDI nachvollziehen und hat Ende November dem HmbBfDI einen Entwurf vorgelegt, wonach die absolute und starre Speicherfrist bei absolut ungeeigneten Bewerberinnen und Bewerbern um eine Prüffrist ergänzt wurde. Vorgesehen ist nunmehr eine zwischengeschaltete Prüffrist von drei Jahren. Sofern der Status „absolut ungeeignet“ weiterhin vergeben werden soll, müssen die Gründe, die zu einer längeren Speicherung im Einzelfall führten, hinsichtlich ihres Fortbestands überprüft und dokumentiert werden. Die diesbezüglichen Prozesse in der Polizeiakademie wurden bereits angepasst.
Quelle: HmbBfDI
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