Kopie einer Patientenakte muss kostenfrei ausgehändigt werden
Kopie einer Patientenakte muss kostenfrei ausgehändigt werden
Seit Anwendungsbeginn der Datenschutz-Grundverordnung gab es immer wieder Streit, ob Verantwortliche für eine Kopie der Patientenakte eine Aufwandsentschädigung verlangen können. Der EuGH hat nun die vom LfD Niedersachsen vertretene Rechtsauffassung bestätigt.
Auslöser der Streitigkeiten war eine Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), welche mit dem Patientenrechtegesetz im Februar 2013 aufgenommen wurde. Hiernach haben Patientinnen und Patienten ein Recht auf Kopien aus der Patientenakte, sind jedoch verpflichtet, dem Verantwortlichen die entstandenen Kosten zu erstatten. Mit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wurde vom Bundesgesetzgeber versäumt, die Regelung im BGB an die rechtlich vorrangigen Regelungen der DSGVO anzupassen, Verantwortliche haben auf die Kostenerstattung bestanden, selbst wenn diese von den Patientinnen und Patienten auf unsere online veröffentlichten Ausführungen zur Kostenfreiheit hingewiesen wurden. Infolgedessen kam es immer wieder zu Beschwerden und entsprechenden aufsichtsbehördlichen Abhilfemaßnahmen.
Einige Verantwortliche haben sich darauf berufen, dass das kostenfreie Auskunftsrecht nach der DSGVO nur dann Anwendung finden könne, wenn Betroffene interessehalber wissen wollen, welche Daten gespeichert sind. Für eine Vorbereitung etwaiger Klageverfahren gegen die Verantwortlichen sei das Auskunftsrecht nach der DSGVO nicht anzuwenden.
Die Datenschutzaufsichtsbehörde Niedersachsen hat stets die Auffassung vertreten, dass das Auskunftsrecht nach der DSGVO keinen besonderen individuellen Grund voraussetzt, die Vorschrift des BGB verdrängt und daher stets eine kostenfreie erste Kopie ausgehändigt werden muss. Klageverfahren gegen veranlasste Abhilfemaßnahmen hat es nicht gegeben, allerdings wurden solche Entscheidungen anderer Datenschutzaufsichtsbehörden gerichtlich überprüft.
Am 26. Oktober 2023 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem Urteil in der Rechtssache C-307/22 abschließend in drei Leitsätzen festgestellt:
- Die Herausgabe einer Kopie der Patientenakte erfolgt unentgeltlich.
- Der mit der Geltendmachung eines Anspruchs auf Kopie verfolgte Zweck ist unerheblich.
- Eine Reproduktion einer gesamten Akte ist immer dann herauszugeben, wenn dies zum Verständnis der Informationen erforderlich ist.
Nach Entscheidung des EuGHs ist die in der DSGVO geregelte Unentgeltlichkeit einer ersten Kopie der verarbeiteten Daten vorrangig vor dem deutschen Zivilrecht anzuwenden, sodass für Auskunftsersuchen und erste Kopien der personenbezogenen Daten keine Kosten zu erheben sind.
Weiter stellte der EuGH fest, dass die betroffene Person nicht verpflichtet ist, ihren Antrag auf Herausgabe einer Kopie zu begründen. Daneben komme es nicht auf den mit dem Antrag tatsächlich verfolgten Zweck an. Das Recht auf Kopie umfasse immer dann eine Reproduktion der vollständigen Akte, wenn dies zum Verständnis der in den Dokumenten enthaltenen personenbezogenen Daten unerlässlich ist. Im Falle einer Patientenakte schließt dies insbesondere Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, ärztliche Befunde und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen ein.
Quelle: LfD Niedersachsen
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