Umfrage zur Veröffentlichung von Jubiläen im Amtsblatt
Auch wenn es einige kommunale Würdenträgerinnen und Würdenträger nicht gern hören: Die Veröffentlichung von Altersjubiläen und hohen Geburtstagen gemäß § 50 Abs. 2 Bundesmeldegesetz (BMG) ist nur nach vorheriger Einwilligung des Jubilars/ der Jubilarin zulässig. Denn das Amtsblatt der Kommune fällt nicht unter den Begriff der Presse im Sinne der genannten Norm. Wenn also ein Bürgermeister/ eine Bürgermeisterin die hohen Geburtstage oder Ehejubiläen in seinem/ ihrem Amtsblatt veröffentlichen möchte, muss er/ sie vorher die Einwilligung des Jubilars/ der Jubilarin zu diesem Zweck einholen.
Ein datenschutzrechtlicher „Dauerbrenner“, der immer wieder Kommunen, Amtsleiterinnen und Amtsleiter sowie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister beschäftigt, ist die Frage, ob und auf welcher Rechtsgrundlage personenbezogene Daten der Einwohnerinnen und Einwohner von den Meldebehörden an die Redaktion des Amtsblattes des Kommune zum Zweck der Gratulation zu hohen Geburtstagen oder Ehejubiläen übermittelt werden dürfen.
Ausgangslage für dieses Problem ist dabei der Regelungsgehalt von § 50 Abs. 2 Bundesmeldegesetz (BMG), der da lautet:
„(2) Verlangen Mandatsträger, Presse oder Rundfunk Auskunft aus dem Melderegister über Alters- oder Ehejubiläen von Einwohnern, darf die Meldebehörde Auskunft erteilen über
1. Familienname,
2. Vornamen,
3. Doktorgrad,
4. Anschrift sowie
5. Datum und Art des Jubiläums.
Altersjubiläen im Sinne des Satzes 1 sind der 70. Geburtstag, jeder fünfte weitere Geburtstag und ab dem 100. Geburtstag jeder folgende Geburtstag; Ehejubiläen sind das 50. und jedes folgende Ehejubiläum.“
Um sich einerseits ein Bild von der tatsächlichen Situation in Thüringer Kommunen zu dieser Problematik zu machen und zum anderen um den Verantwortlichen in Thüringer Rathäusern und Landratsämtern Hilfestellungen an die Hand zu geben, startete der Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (TLfDI) bereits im Herbst 2019 eine anonymisierte Umfrageaktion in Thüringer Kommunen. Der TLfDI erfragte mittels eines kurzen Fragebogens unter anderem, auf welcher Rechtsgrundlage die Kommunen die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten hoher Geburtstage und Ehejubiläen vornehmen und beabsichtigen, solche vorzunehmen oder, ob diese Veröffentlichung auf der Grundlage einer von Zeit zu Zeit aktualisierten Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a) DS-GVO erfolge. Ferner fragte der TLfDI, ob bei den Kommunen das Bedürfnis für eine solche Muster-Einwilligung zur Veröffentlichung hoher Geburtstage und Altersjubiläen im Amtsblatt bestehe.
Die Auswertung dieser Umfrage erfolgte danach beim TLfDI im ersten Quartal des Berichtszeitraumes. Die Auswertung ergab folgendes „Lagebild“:
Mit 112 Antworten war die Umfrage für den TLfDI im hohen Maße geeignet, sich einen Überblick über die Situation in den Kommunen zu vermitteln.
Dabei zeigte sich, dass jeweils die Hälfte der an der Umfrage teilnehmenden Kommunen die Veröffentlichung von Jubiläen und Geburtstagen in Amtsblättern weiterhin plant oder dies jedenfalls für die Zukunft nicht ausschließt, während die andere Hälfte eine solche Veröffentlichung nicht plant.
Unsicherheiten fielen bei der Rechtsgrundlage und insbesondere der rechtskonformen Umsetzung auf. So gingen zehn der befragten Kommunen entgegen der Ansicht des TLfDI davon aus, dass eine Veröffentlichung auch ohne Einwilligung der Jubilare möglich sei. Soweit dafür als Begründung auf eine langjährige Verwaltungspraxis verwiesen worden ist, weist der TLfDI darauf hin, dass sowohl im Meldewesen durch Übergang der Kompetenz auf den Bund als auch im Datenschutz in den letzten Jahren erhebliche Änderungen der Rechtslage zu berücksichtigen sind (die nachfolgend auch noch einmal dargestellt werden). Landesrechtliche Regelungen hierzu sind bundesweit in einer Vielzahl entfallen und werden durch das geltende Bundesmeldegesetz nicht vollständig ersetzt.
Insgesamt hielt eine knappe Mehrheit der teilnehmenden Kommunen zudem die Erstellung einer Mustervorlage für die Einwilligung durch den TLfDI für eine sinnvolle Maßnahme.
Aus der weiteren Auswertung der Umfrage ergab sich aus Sicht des TLfDI, die Rechtslage zu der Problematik noch einmal Schritt für Schritt zu erläutern:
Aus rechtlicher Sicht sind bei der Gratulation zu Jubiläen und hohen Geburtstagen durch Amtsträger drei Schritte streng zu trennen:
1. Die Anfrage der Kommune bei und Mitteilung der Jubiläen und Geburtstage durch die Meldebehörde (zulässig gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 BMG),
2. Die Gratulation durch den Mandatsträger und dafür notwendige Datenverarbeitungen innerhalb der Kommune (zulässig gemäß § 16 Abs. 1 Thüringer Datenschutzgesetz (ThürDSG)),
3. Eine Veröffentlichung im kommunalen Amtsblatt oder auf anderem Wege (grundsätzlich unzulässig, aber auf Basis einer Einwilligung möglich).
Zu (1.): Die Anfrage der Kommune bei der Meldebehörde und die Mitteilung von Jubiläen und Geburtstagen durch diese stellt sich zunächst weitgehend unproblematisch dar. Dies ergibt sich aus § 37 Abs. 1 und § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 50 Abs. 2 BMG. Die Bürgermeister der Kommunen sind insoweit Mandatsträger im Sinne dieser Vorschrift und können die dort im Einzelnen aufgezählten Daten von der Meldebehörde erhalten, soweit dem nicht gemäß § 50 Abs. 5 BMG widersprochen wurde. Dies hat die Meldebehörde zu prüfen. Meldebehörde ist zwar in Thüringen auch die Gemeinde (§ 1 BMG in Verbindung mit § 1 Thüringer Gesetz zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes), deren Arbeit aber intern von den sonstigen Teilen der Gemeindeverwaltung nach dem Prinzip der „informationellen Gewaltenteilung“ (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83, Rn. 206 – Volkszählungsurteil) strikt zu trennen ist. Auf das Recht des § 50 Abs. 5 BMG ist regelmäßig und ortsüblich durch die Meldebehörde hinzuweisen, damit die Betroffenen hiervon Kenntnis erlangen.
Nicht explizit geregelt ist in § 50 Abs. 2 BMG die Erlaubnis des Mandatsträgers, diese Anfrage auch zu stellen. Denn das BMG richtet sich ausschließlich an die Meldebehörden. Die Norm ist jedoch Indiz für das Bestehen eines solchen Rechts, und das Interesse an der Übermittlung von Glückwünschen durch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ist vom Gesetzgeber in den Materialen zum Melderecht ausdrücklich anerkannt (vergleiche Bundestags-Drucksache 17/7746, S. 46 zum BMG mit Verweis auf Bundestags-Drucksache 8/3825, S. 25 zum damaligen Melderechtsrahmengesetz).
Zu (2.): Nach der Anfrage ist regelmäßig zum Zwecke der späteren Gratulation eine Speicherung und weitere Verarbeitung der von der Meldebehörde empfangenen personenbezogenen Daten notwendig. Diese ist im Hinblick auf die oben beschriebene Anerkennung der Gratulationen in Verbindung mit § 16 Abs. 1 ThürDSG ebenfalls als zulässig einzustufen. Die Gratulation durch den Bürgermeister lässt sich somit als kommunale Selbstverwaltungsaufgabe einstufen. Ein ausreichender Bezug zu Gemeindebevölkerung oder Gemeindegebiet liegt hierfür vor. Dies gilt trotz des Wegfalls der Formulierung „zur Ehrung“ in § 33 Abs. 2 des früheren Thüringer Meldegesetzes (ThürMeldG – außer Kraft) auch weiterhin.
Zu (3.): Keine generelle Erlaubnis besteht jedoch zur Veröffentlichung der aus dem Melderegister erlangten personenbezogenen Daten der Jubilare. Die Veröffentlichung in einem Amtsblatt stellt einen zusätzlichen, vom BMG weder angesprochenen noch sinngemäß erfassten Verarbeitungsschritt dar. Die Veröffentlichung ist ein weiterer Arbeitsschritt, der auch nicht in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers für das Melderecht fällt. Die Veröffentlichung ist dabei auch nicht ohne Weiteres als ungefährlich oder gar gewünscht einzustufen. Eine landesrechtliche Erlaubnis der Veröffentlichung ist nicht ersichtlich. Die kommunale Selbstverwaltung ist diesbezüglich im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung begrenzt. Zum geeigneten Interessenausgleich ist es geboten, auf eine Veröffentlichung ohne Einwilligung des Betroffenen zu verzichten.
Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass das Amtsblatt einer Kommune nicht als Presseerzeugnis angesehen werden kann und sich die Veröffentlichungserlaubnis somit nicht aus presserechtlichen Erwägungen und Abwägungen eines gegebenenfalls bestehenden öffentlichen Interesses ergeben kann. Den Gemeinden ist presseähnliche Betätigung gänzlich untersagt. Ist ein Amtsblatt presseähnlich, so führt dies keinesfalls zu erweiterten Veröffentlichungserlaubnissen, sondern die Veröffentlichung wäre insgesamt unzulässig (siehe beispielsweise zuletzt Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Dezember 2018 – I ZR 112/17).
Das Alter einer Person – wenn dies auch kein besonderes personenbezogenes Datum im Sinne des Art. 9 DSGVO ist – gehört aufgrund der Anknüpfung von Diskriminierungen (siehe nur § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) an dieses Merkmal zu den besonders problematischen Datenkategorien. Durch die Bekanntgabe an eine breite Öffentlichkeit im Amtsblatt stellt sich diese Art der Verarbeitung zudem im Verhältnis zur Gratulation durch den Amtsträger als erheblicher Eingriff dar.
Im Hinblick auf aktuelle Kriminalstatistiken darf sicher auch die Problematik des so genannten Enkeltrick-Betrugs hier nicht gänzlich außer Acht gelassen werden. Eine Zweckentfremdung der grundsätzlich frei zugänglichen Amtsblätter scheint hier nicht gänzlich fernliegend, liefern die Informationen über das Alter der betroffenen Person hinaus sogar noch einen persönlichen Anknüpfungspunkt für die Kontaktaufnahme.
Verwaltungspraktisch ist auch folgende Überlegung anzustellen: Sicher ist nicht abzustreiten, dass viele Gemeindeangehörige sich über eine solche Ehrung freuen. Es ist aber an dieser Stelle auch darauf hinzuweisen, dass die Landesdatenschutzbeauftragten verschiedentlich auf eine nicht geringe Zahl von Anfragen und Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger zu dieser Problematik verweisen. Zwar liegen hier in der Tat keine gesicherten statistischen Erkenntnisse vor, jedenfalls ist aber nicht pauschal davon auszugehen, dass jeder Bürger/ jede Bürgerin sich hierdurch geehrt fühlen wird. Gerade die Nennung des Alters stellt für einige Menschen doch ein sehr sensibles Thema dar. Einer nicht ganz irrelevanten Zahl von Bürgerinnen und Bürgern wird die Gratulation somit regelmäßig unrecht sein, sodass der damit verfolgte Zweck leider vollends verfehlt wird (vergleiche zu den sehr unterschiedlichen Reaktionen auf die Ehrung beispielsweise auch den 18. Tätigkeitsbericht des Sächsischen LfDI, Drucksache des sächsischen Landtags, 6/10549, S. 46, 48).
Einzig verbleibende Lösung mangels gesetzlicher Grundlage ist damit die Einholung einer Einwilligung des geehrten Gemeindebürgers (Ausführlich dazu auch Lück/Kenar, LKV 2019, 344). Diese Überlegungen und Auswertungen seiner Umfrage zur Veröffentlichung von hohen Alters- und Ehejubiläen in Amtsblättern hat der TLfDI nach Ablauf des Berichtszeitraums dem Thüringer Gemeindeund Städtebund sowie dem Thüringischen Landkreistag mitgeteilt. In diesem Schreiben war auch eine Muster-Einwilligung enthalten, die die Kommune berechtigt, personenbezogene Daten des Jubilars/der Jubilarin für die Zwecke der Veröffentlichung hoher Alters- und Ehejubiläen in Amtsblättern zu verarbeiten.
Quelle: LfDI Thüringen
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