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08.11.2021

Historische Dorfchroniken

Gerade ortsverbundene Personen haben häufig ein Interesse daran, die Chronik ihres Dorfes und damit der Geschichte ihrer Bürgerinnen und Bürger für sich und ihre Mitmenschen sowie für die Nachwelt festzuhalten. Zu diesem Zweck sammeln sie umfangreich Materialien über die Geschichte des Dorfes, wobei nicht nur über die Vergangenheit berichtet werden soll, sondern auch Ereignisse bis in die Gegenwart beschrieben und bebildert werden.

Nicht selten stellen die datenschutzrechtlichen Vorgaben die Verantwortlichen vor nicht unerhebliche Fragestellungen. Schließlich werden im Rahmen der Erstellung einer Dorfchronik personenbezogene Daten von einer Vielzahl von Betroffenen verarbeitet, die einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden sollen. In diesem Kontext wird oft darauf verwiesen, dass es mangels Kenntnis des aktuellen Aufenthaltsorts der betroffenen Personen nicht möglich sei, diese nach ihrem Einverständnis in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu bitten.

So erreichten die Datenschutzbehörde vermehrt Anfragen, was bei der historischen Datenverarbeitung zu beachten ist.

Im Hinblick auf die Tätigkeit heimatkundlicher Vereine ist festzuhalten, dass in diesem Zusammenhang häufig Daten bereits verstorbener Personen verarbeitet werden, auf die die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) keine Anwendung findet (Erwägungsgrund (ErwGr) 27 zur DSGVO).

Soweit aber eine Verarbeitung personenbezogener Daten lebender Personen erfolgt, ist zu klären, ob die Arbeit heimatkundlicher Vereine dem Bereich der wissenschaftlichen Forschung zugeordnet werden kann. Unter den Begriff der Forschungszwecke ist beispielsweise auch die Forschung im Bereich der Genealogie, also der Ahnenforschung, zu subsumieren (ErwGr 160). In diesem Zusammenhang sieht die DSGVO diverse Ausnahmeregelungen vor. Dies betrifft neben der Lockerung des Zweckbindungsgrundsatzes (Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO), der Speicherbegrenzung (Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO) und der Informationspflichten (Art. 14 Abs. 5 DSGVO) insbesondere auch die Einschränkung der Betroffenenrechte im Sinne der Art. 15, 16, 18 und 21 DSGVO zugunsten der historischen Forschung (§ 27 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz BDSG).

Eine Veröffentlichung personenbezogener Forschungsergebnisse darf allerdings grundsätzlich nur mit Einwilligung der betroffenen Person erfolgen; ausnahmsweise ist die Veröffentlichung personenbezogener Daten von lebenden Personen auch ohne deren Einwilligung zulässig, wenn die Veröffentlichung für die Darstellung von Forschungsergebnissen über Ereignisse der Zeitgeschichte unerlässlich ist (§ 27 Abs. 4 BDSG). Der Gesetzgeber sieht also eine Privilegierung für die Forschungstätigkeit von Historikern vor. Danach hat das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dann zurückzutreten, wenn die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten für die vollständige und korrekte Darstellung oder das Verständnis der Forschungsergebnisse zwingend erforderlich ist und deshalb nicht darauf verzichtet werden kann. Aus dem Begriff „unerlässlich“ folgt, dass ohne die Veröffentlichung personenbezogener Daten die Darstellung der Forschungsergebnisse ohne Nutzen oder unverständlich sein muss.

Bei der Beurteilung, ob ein Ereignis der Zeitgeschichte vorliegt, ist der Begriff nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Kunsturhebergesetz (KUG) heranzuziehen. Danach können grundsätzlich alle vergangenen Geschehnisse erfasst sein, weshalb der Begriff der Unerlässlichkeit zum Schutz der Betroffenen eng auszulegen ist. Es muss also zwischen dem Interesse am Persönlichkeitsschutz und dem öffentlichen bzw. wissenschaftlichen Interesse an der Veröffentlichung personenbezogener Daten abgewogen werden. Das Interesse am Persönlichkeitsschutz kann auch danach variieren, in welcher Fülle personenbezogene Daten über eine natürliche Person veröffentlicht werden sollen. Die Entscheidung hierüber obliegt dem Forschungsinstitut bzw. hier dem Verantwortlichen der Datenverarbeitung im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Eine allgemeine Aussage über die Zulässigkeit ist daher nicht möglich.

Es spricht jedoch vieles dafür, dass die Veröffentlichung einer Dorfchronik grundsätzlich nur nach vorheriger Einwilligung der betroffenen Personen erfolgen sollte. So ist bereits fraglich, ob die Darstellung von Familienzusammenhängen unter den Begriff der Zeitgeschichte im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG fallen. Zum Begriff des Zeitgeschehens gehören sämtliche Angelegenheiten von öffentlichem Interesse. Dies mag zwar gegebenenfalls für die Familiendarstellung einer historisch bedeutsamen Familie gelten, nicht jedoch für die gemeine (Arbeiter-) Familie. Selbst in der Annahme, dass die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt wären, kann regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass eine Veröffentlichung der Forschungsergebnisse unerlässlich ist, so dass die betroffenen Personen frei entscheiden können, ob ihre privaten Daten einer breiten Öffentlichkeit mitgeteilt werden.


Fazit/ Empfehlung:

Die Erhebung und die Speicherung der Informationen im Zusammenhang mit der historischen Forschung sind grundsätzlich auch ohne die Einwilligung der betroffenen Personen denkbar. Demgegenüber bedarf es für die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse im Regelfall einer Einwilligung der noch lebenden Personen.

Quelle: LfDI Saarland

Weitere unterstützende Hinweise zum Datenschutz finden Sie in diesen Beiträgen:

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