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28.03.2023

Kostenprüfung bei Gesundheitsleistungen für Asylbewerber

Es besteht ein berechtigtes Interesse der öffentlichen Hand, die korrekte Rechnungsstellung seitens der Erbringer von Gesundheitsleistungen (insbesondere Kliniken, Ärzte) für Asylbewerber zu überprüfen. Die Asylbewerber sind verpflichtet, die wegen der ärztlichen Schweigepflicht erforderliche Einwilligung in die für die Abrechnungsüberprüfung notwendige Datenverarbeitung zu erteilen.

Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration unterbreitete mir einen das Asylbewerberleistungsrecht betreffenden Sachverhalt und bat um datenschutzrechtliche Beratung. Konkret ging es darum, dass nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§§4 und 6 AsylbLG) Asylsuchende Anspruch auf notwendige ärztliche Versorgung haben.

In den Erstaufnahmeeinrichtungen in Hessen wird in eigenen medizinischen Ambulanzen die ärztliche Grundversorgung gewährleistet. Für eine darüber hinausgehende Diagnostik und Therapie werden die Asylbewerber an externe Fachärzte / -kliniken überwiesen. Diese externen medizinischen Leistungserbringer adressieren anschließend die kostenmäßige Abrechnung an das Regierungspräsidium Gießen. Das RP Gießen hat dann die Richtigkeit der Abrechnung zu überprüfen. Dieser Ablauf findet ohne Beteiligung von Krankenkassen statt.

Medizinische Versorgung bei Krankenversicherten (Sozialgesetzbuch V)

Gesetzliche Krankenkassen sind verpflichtet, zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung seitens der Leistungserbringer eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes (MDK) einzuholen. Haben Krankenkassen bzw. der MDK für eine gutachterliche Stellungnahme oder Prüfung erforderliche Daten der versicherten Person bei den Leistungserbringern angefordert, so sind die Leistungserbringer gesetzlich verpflichtet, diese Daten an den MDK zu übermitteln. Soweit im Einzelfall eine gutachterliche Stellungnahme betreffend die Notwendigkeit und Dauer einer stationären Behandlung erforderlich ist, ist das ärztliche Personal des MDK befugt, Räume von Krankenhäusern und Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen zu betreten. Der Ablauf ist im Sozialgesetzbuch V – Gesetzliche Krankenversicherung – näher geregelt (§275 Abs. 1, §276 Abs. 2 und 4 SGB V).

Unterschied zwischen Sozialgesetzbuch V (Krankenversicherung) und Asylbewerberleistungsrecht

Dieses im Sozialgesetzbuch V normierte Prüfverfahren ist im Asylbewerberleistungsgesetz allerdings nicht vorgesehen. Die Möglichkeit einer zumindest stichprobenartigen Krankenhausrechnungsüberprüfung oder einer Plausibilitätskontrolle der Behandlungsabrechnungen gestalte sich, so berichtete mir das Ministerium, nach Angaben des RP Gießen aus Gründen der ärztlichen Schweigepflicht schwierig. Das RP Gießen habe das Problem näher beschrieben, dass sich rechnungsstellende Krankenhäuser darauf berufen, Arztbriefe oder Dokumentationen wegen der ärztlichen Schweigepflicht nicht herausgeben zu dürfen. Hierdurch, so das Ministerium, entstehe eine Diskrepanz zwischen Zahlungspflicht der öffentlichen Hand einerseits und nicht möglicher korrekter Rechnungsüberprüfung andererseits.

Vor diesem Hintergrund sei es geboten, so das Ministerium, dass dem MDK im Asylbewerberbereich ein umfassendes Prüfrecht mit Blick auf die von Leistungserbringern geltend gemachten Kosten eingeräumt werde.

Datenschutzaufsichtsbehördliche Bewertung und Beratung

Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, SGB V, gibt es hinreichend gesetzlich verankerte Prüfbefugnisse für die Krankenkassen bzw. den MDK und eine dementsprechende Auskunftspflicht der Leistungserbringer.

Bei Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz handelt es sich nicht um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch V. Insoweit können die Regelungen dieses Gesetzbuchs, die die Rechnungsprüfung betreffen, nicht im Asylbewerberbereich angewendet werden. Vergleichbare Regelungen zu Prüfrechten oder Auskunftspflichten zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern kennt das Asylbewerberleistungsrecht allerdings nicht.

In einigen Bundesländern werden jedoch die Leistungen nach §4 AsylbLG von gesetzlichen Krankenkassen übernommen („Bremer Modell“). Der Gesetzgeber hat dieses Konzept in der umfangreichen Vorschrift §264 SGB V generell geregelt. Im Rahmen dieser Lösung können dann die Krankenkassen bzw. der MDK hinsichtlich der Rechnungsüberprüfung entsprechend §§275 f. SGB V vorgehen. Hessen hat bislang die Erbringung der Leistungen jedoch nicht über die Krankenkassen abgewickelt, sodass hinsichtlich der Prüf- und Auskunftsvorschriften auch nicht auf das Sozialgesetzbuch V rekurriert werden kann. Insoweit stehen die DSGVO und speziell die ärztliche Schweigepflicht einer Prüfberechtigung des Kostenträgers und einer Auskunft der Leistungserbringer entgegen.

Kein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht im Fall der Einwilligung


Die ärztliche Schweigepflicht wird im Fall einer Kostenüberprüfung allerdings nicht verletzt, wenn eine Einwilligung desjenigen vorliegt, um dessen personenbezogene Daten es geht. Denn in diesem Fall ist die Datenverarbeitung nach der Europäischen Datenschutzgrundverordnung zulässig, Art. 6 Abs. 1 a) DSGVO.


Da es im vorliegenden Kontext freilich auch um sensible Daten der Asylbewerber geht, nämlich insbesondere Ethnie und Gesundheitsdaten der Asylbewerber, ist zusätzlich Art. 9 DSGVO zu beachten, der personenbezogene Daten sensibler Art betrifft. Aber auch diese Vorschrift eröffnet im Fall der Einwilligung den Weg zur rechtmäßigen Datenverarbeitung, Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 a) DSGVO.

Der am Ende des zitierten Normtextes von Art. 9 Abs. 2 a) DSGVO angesprochene Ausschluss der Einwilligung als Erlaubnistatbestand ist zwar von den deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden diskutiert, aber vom Gesetzgeber jedenfalls nicht wahrgenommen worden, so dass auch bei sensiblen Daten die Einwilligung als Rechtfertigung der Datenverarbeitung zur Verfügung steht. Freilich wird gerade im öffentlichen Bereich die DSGVO noch durch nationales Recht der Mitgliedstaaten ergänzt und komplettiert (Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO), das bei der datenschutzrechtlichen Beurteilung zusätzlich zur DSGVO herangezogen und beachtet werden muss.

Mit Blick auf die vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration mir unterbreitete Thematik der Rechnungsstellung seitens der Erbringer von Gesundheitsleistungen einerseits und der Überprüfungsnotwendigkeit des öffentlichen Kostenträgers andererseits sowie dem Problem der ärztlichen Schweigepflicht enthält nun das Asylbewerberleistungsrecht eine entscheidende Vorschrift, §9 Abs. 3 AsylbLG, weil diese Regelung nämlich die Mitwirkungsobliegenheiten der Leistungsempfänger im Sozialbereich und eben auch die Obliegenheit der Leistungsempfänger zur Erteilung der erforderlichen Zustimmungen (Einwilligungen) für die Aufgabenwahrnehmung der öffentlichen Leistungsverwaltung in Bezug nimmt und entsprechend für anwendbar erklärt, nämlich §9 Abs. 3 AsylbLG.

Die Vorschrift hat ihren Hintergrund gerade darin, dass das Asylbewerberleistungsrecht rechtssystematisch zwar nicht dem Sozialrecht gesetzlich zugeordnet worden ist (vgl. §68 SGB I), es aber gleichwohl geboten ist, die für die Leistungsempfänger im Sozialrecht normierten Mitwirkungspflichten auch den Empfängern von Asylbewerberleistungen aufzuerlegen. Das bedeutet konkret, dass diejenigen, die ärztliche/medizinische Leistungen in Anspruch nehmen, sich damit einverstanden zu erklären haben, dass die Richtigkeit/Angemessenheit der für diese Leistungen von den Kliniken, Ärzten etc. eingereichten Rechnungen von der öffentlichen Verwaltung als Leistungs- und Kostenträger auch effektiv kontrolliert werden kann. Deshalb ordnet das Sozialrecht an, dass insbesondere wegen der ärztlichen Schweigepflicht notwendige Einwilligungen mit Blick auf die erforderliche Aufgabenwahrnehmung der öffentlichen Verwaltung (hier Rechnungsprüfung) vom Leistungsempfänger zu erteilen sind, §60 Abs. 1 Nr. 1 SGB X. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift im Asylbewerberbereich bedeutet deshalb vor allem, dass die zuständige Asylbewerberleistungsbehörde von den betroffenen Asylbewerbern die Zustimmung hinsichtlich der erforderlichen Auskünfte seitens der Leistungserbringer (Klinik, Ärzte) einfordern kann.

Das anfragende Ministerium für Soziales und Integration wurde auf diese Rechtslage hingewiesen.

Quelle: HBDI

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