Dürfen Wirtschaftsauskunfteien eine Datenbank mit Vertragsdaten von Strom- und Gaskunden anlegen, um etwa festzustellen, wie oft Kunden ihren Anbieter wechseln?
Der Markt der Strom- und Gasanbieter ist vielseitig und hart umkämpft. Wer regelmäßig die Konditionen der verschiedenen Anbieter vergleicht, seinen Vertrag kündigt und gegebenenfalls zu einem Konkurrenten wechselt, kann mitunter Geld sparen. Kunden können so etwa von günstigeren Preisen oder besonderen Angeboten für Neukunden profitieren. Die Anbieter auf der anderen Seite haben jedoch ein Interesse daran, möglichst dauerhaft treue Kunden zu gewinnen. Kunden, die ihren Vertrag schnell wieder kündigen und den Anbieter wechseln, sind für die meisten Anbieter dagegen weniger interessant. Aus diesem Grunde haben diese ein Interesse daran, möglichst schon vor Vertragsabschluss in Erfahrung zu bringen, wie häufig der jeweilige potentielle Kunde seinen Energieanbieter wechselt.
An dieser Stelle kommen Wirtschaftsauskunfteien ins Spiel. Bisher begegneten Kunden solchen Auskunfteien überwiegend etwa beim Onlinehandel oder der Kreditvergabe im Rahmen von Bonitätsauskünften. In der Mitte des Jahres entzündeten sich Diskussionen um mutmaßliche Pläne von Auskunfteien, die den Strom- und Gaswechsel von Bürgerinnen und Bürgern erschweren könnten. Hintergrund der Diskussionen waren Berichte des NDR sowie der Süddeutschen Zeitung, wonach zwei große deutsche Auskunfteien eine Datenbank geplant haben sollen, in denen Vertragsdaten von Strom- und Gaskunden branchenweit gespeichert werden sollen. Während bisher solche Daten verarbeitet werden können, die etwa aufgrund von Zahlungsausfällen gemeldet werden (sog. Negativdaten), war durch die Auskunfteien nun im Bereich der Energieversorger auch die Verarbeitung von sog. Positivdaten geplant. Im Gegensatz zu Negativdaten, welche einen unmittelbaren Rückschluss auf vertragswidriges Verhalten der Kundinnen und Kunden zulassen, sind Positivdaten solche Informationen, die keine negativen Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben. Hiervon umfasst sein können insbesondere Informationen hinsichtlich der Begründung, ordnungsgemäßen Durchführung und Beendigung sowie etwa Daten zur Laufzeit und über die Anzahl der (bisher) geschlossenen Verträge.
Diese Daten hätten dann möglicherweise von den Energieversorgern abgefragt werden können. Auf diese Weise hätten diese dann unter Umständen die Möglichkeit gehabt, das Wechselverhalten von Kunden bereits vor Vertragsschluss zu prüfen, um auf diese entsprechend zu reagieren. So wäre es denkbar gewesen, dass die Strom- und Gasanbieter häufig wechselnden Kunden andere Konditionen anbieten oder diese sogar gänzlich ablehnen.
Datenschutzrechtlich zulässig ist etwa die Speicherung und Beauskunftung solcher Daten nur dann, soweit hierfür eine entsprechende Rechtsgrundlage gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 6 Abs. 1 DSGVO vorliegt. Neben einer ausdrücklichen Einwilligung durch den Kunden (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO) ist hier insbesondere die Datenverarbeitung aufgrund eines berechtigten Interesses (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO) relevant. Eine solche setzt allerdings voraus, dass im Rahmen einer Abwägung die Interessen insbesondere der Anbieter an der Datenverarbeitung höher zu bewerten sind, als die Interessen der betroffenen Kundinnen und Kunden an deren Schutz ihrer personenbezogenen Daten. Dass hier der Datenschutz der Kundinnen und Kunden hinter den Interessen der Energieversorger zurückstehen muss, ist aus Sicht des LfDI jedoch zweifelhaft. Typischerweise erfolgt die Tätigkeit von Wirtschaftsauskunfteien zur Absicherung von Zahlungsausfällen, also vertragswidrigem Verhalten. Vorliegend könnte eine solche Datenbank jedoch dazu genutzt werden, solche Kundinnen und Kunden auszufiltern, welche sich völlig vertragsgemäß verhalten, indem sie von den ihnen gesetzlich zustehenden Kündigungsrechten Gebrauch machen. In diesem Falle würden die Anbieter lediglich das gewöhnliche wirtschaftliche Risiko der Wettbewerbssituation am Markt zu Lasten des Datenschutzes auf die betroffenen Personen abwälzen. Andererseits besteht die Gefahr, dass bestimmte Kundinnen und Kunden benachteiligt werden. Dass dieses Risiko der Energieversorger gegenüber dem Datenschutz der betroffenen Personen besonders schutzwürdig ist, war jedoch nicht erkennbar.
Der LfDI sieht solche Datenbanken kritisch, da die Energieversorger hiermit lediglich ihr eigenes marktübliches wirtschaftliches Risiko zu Lasten des Datenschutzes auf die Kundinnen und Kunden verlagern würden. Diese Auffassung vertreten auch andere Datenschutzaufsichtsbehörden. Es bestehen erhebliche Zweifel an der Verarbeitung von Positivdaten wie Angaben zur Vertragsdauer durch Wirtschaftsauskunfteien im Bereich der Energieversorgungsbranche auf der Grundlage des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f Datenschutz-Grundverordnung.
Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) hat in einem Beschluss vom 15. März 2021 festgehalten, dass entsprechende Pläne nach Maßgabe von Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 lit. f) Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) rechtswidrig wären.
Quelle: LfDI Rheinland-Pfalz
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