Finden Datenverarbeitungsvorgänge ausschließlich im persönlichen und familiären Bereich statt, so findet die DSGVO keine Anwendung.
I. Allgemeines
Der auch als „Haushaltsprivileg“ bekannte Ausnahmetatbestand Art. 2 Abs. 2 Buchstabe c) Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) schließt die Datenverarbeitung durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher und familiärer Tätigkeiten aus dem Anwendungsbereich der DSGVO aus. Mit dieser Vorschrift bezweckt die DSGVO einen Ausgleich zwischen den Grundrechten des Verarbeiters und der betroffenen Person. Dies gilt selbst dann, wenn besondere Kategorien personenbezogener Daten verarbeitet werden. Persönliche Tätigkeiten sind Tätigkeiten, die der eigenen Selbstentfaltung und Freiheitsausübung in der Freizeit oder im privaten Raum dienen. Familiäre Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten, die der Pflege familiärer Beziehungen und des familiären Zusammenhalts dienen. Der Begriff familiär ist dabei nicht familienrechtlich auszulegen. Er umfasst unabhängig von Ehe, Kindschaft und Verwandtschaft jede Beziehung, die eine vergleichbare persönliche Nähe aufweist und von der Verkehrsanschauung als familiär angesehen wird.
Art. 2 Abs. 2 Buchstabe c) DSGVO ermöglicht somit die Datenverarbeitung für den privaten und familiären Gebrauch. Insbesondere Urlaubsfotos, Fotoalben, Erinnerungsfotos, Stammbücher und Tagebücher sind daher möglich, ohne die Voraussetzungen, die die DSGVO für die Datenverarbeitung aufstellt, erfüllen zu müssen. Namen-, Adress- oder Geburtsdatensammlungen im Zusammenhang mit Freizeitaktivitäten, Hobbies, oder Urlaub fallen unter das Haushaltsprivileg. Diese Privilegierung fällt allerdings dann weg, wenn diese Informationen zu nicht mehr rein persönlichen oder haushaltsbezogenen Tätigkeiten verwendet werden, wie beispielsweise die Veröffentlichung im Internet.
II. Videoaufnahmen
Die Videoüberwachung privater und familiärer Lebensbereiche kann von der Ausnahme erfasst werden. So sind Aufnahmen, die lediglich im privaten Bereich verbleiben, also zum Beispiel als Erinnerung an bestimmte private Erlebnisse oder wenn die Videoüberwachung innerhalb der eigenen vier Wände stattfindet, grundsätzlich vom Haushaltsprivileg erfasst.
Jedoch ist der Wortlaut der Vorschrift des Art. 2 Abs. 2 Buchstabe c) DSGVO sehr eng und hat lediglich einen sehr beschränkten Anwendungsbereich. Wird bei der Erstellung der Videoaufnahmen oder bei der Veröffentlichung der Aufnahmen in sozialen Netzwerken oder anderweitig der private und familiäre Kontext überschritten, greift das Haushaltsprivileg nicht und die DSGVO findet Anwendung. Zwecke der Datenverarbeitung sind vorab festzulegen (Roßnagel in Simitis, Kommentar zum Datenschutzrecht, 1. Auflage, Art. 5, Rn. 72). Sobald im privaten Bereich eine Videoüberwachung Beweiszwecken dienen soll, wie beispielsweise bei einer Kameraüberwachung des eigenen Grundstücks, ist dies nicht mehr der reinen persönlichen oder familiären Tätigkeit zuzuordnen, da die persönliche und familiäre Sphäre aufgrund einer möglichen Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden verlassen wird (so auch Scholz in Simitis, Kommentar zum Datenschutzrecht, 1. Auflage, Anhang zu Art 6, Rn. 51). Anders ist die Zulässigkeit der Videoüberwachung zu beurteilen. Ist der Zweck der Videoüberwachung zunächst auf etwas anderes gerichtet, beispielsweise Beobachtung des eigenen Gartens, und wird sodann etwas Polizeirelevantes festgestellt und die Videodaten werden an die Polizei übermittelt, ist diese erneute Datenverarbeitung unter einer neuen Rechtsgrundlage (Zweckänderung Art. 6 Abs. 4 DSGVO) zu prüfen. Wird fortan die Videoüberwachung mit dem Zweck betrieben, festzustellen, ob erneut strafrechtlich relevantes Verhalten auftritt, ist diese Videoüberwachung an den Grundsätzen der DSGVO zu prüfen, da nun für diesen Zweck – mögliche Übergabe an Strafverfolgungsbehörden – die Privilegierung des Art. 2 Abs. 2 Buchstabe c) DSGVO nicht mehr greift. In diesem Falle ist die Videoüberwachung an der Rechtsgrundlage Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe f) DSGVO zu messen. Die Videoüberwachung ist danach rechtmäßig, wenn die Videoüberwachung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person das berechtigte Interesse des Verantwortlichen nicht überwiegt. Allerdings überwiegt das Interesse des Betroffenen (Straftäters) nicht das Interesse des Verantwortlichen. Erfasst die zunächst als familiäre Datenverarbeitung gedachte Videoüberwachung auch öffentliche Bereiche wie die Straße vor der Haustür, findet die DSGVO Anwendung. Bereits mit Urteil vom 11. Dezember 2014 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache Ryneš (C-2012/13) entschieden, dass eine Videoüberwachung, die sich auch auf den öffentlichen Raum erstreckt und dadurch auf einen Bereich außerhalb der privaten Sphäre gerichtet ist, nicht als „ausschließlich persönliche oder private Tätigkeit angesehen“ werden kann. Gleiches gilt bei der Videoüberwachung von Nachbargrundstücken, da auch hier die Videoüberwachung den ausschließlich privaten und familiären Bereich verlässt (so auch Scholz in Simitis, Kommentar zum Datenschutzrecht, 1. Auflage, Anhang zu Art 6, Rn. 49). Hier wird ebenfalls die persönliche Sphäre des Kamerabetreibers verlassen. Weiterhin stellt sich die gleiche Problematik bei Datenverarbeitungen von kamerabestückten Drohnen. Soweit Drohnen auch öffentliches Gebiet oder Grundstücke Dritter überfliegen, wird die persönliche und familiäre Sphäre verlassen und die DSGVO findet Anwendung.
III. Keine Anwendbarkeit des Haushaltsprivilegs
Die Tätigkeiten müssen immer auf den engen Bereich des Persönlichen oder Familiären begrenzt sein. Da die Datenverarbeitung, um unter das Haushaltsprivileg zu fallen, ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen darf, ist die DSGVO bei gemischten Datensammlungen wie Adressbüchern, die private und geschäftliche Kontakte beinhalten, anwendbar (so auch Kühling/ Raab in Kühling / Buchner Kommentar zur Datenschutz-Grundverordnung, 2. Auflage, Art. 2, Rn. 26). Dies umfasst insbesondere auch privat und beruflich genutzte Smartphones (so auch Roßnagel in Simitis, Kommentar zum Datenschutzrecht, 1. Auflage, Art. 2, Rn. 28). Zudem darf die Verarbeitung auch keinen Zusammenhang oder Bezug zu einer beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit haben. Ebenso gelten Tätigkeiten im ehrenamtlichen Bereich, wie beispielsweise bei Sportvereinen, nicht als rein persönliche Tätigkeit. Die Nutzung sogenannter sozialer Netzwerke und andere Online-Tätigkeiten kann nur dann unter das Haushaltsprivileg fallen, wenn sichergestellt ist, dass nur der Nutzer auf die Daten zugreifen kann. Bei der Veröffentlichung personenbezogener Daten im Internet, insbesondere im Rahmen sozialer Medien, ist entscheidend: Sollen die personenbezogenen Daten in einem sozialen Netzwerk eingestellt werden, ist bei einer durch Nutzernamen und Passwort geschützten Gruppe oder einem Forum auf einer Webseite davon auszugehen, dass dies wegen des ausschließlichen Zugriffs des persönlichen Umfelds gerade noch unter das Haushaltsprivileg fällt. Werden die Daten in diesem Nutzerbereich jedoch einem unbeschränkten Personenkreis zugänglich gemacht, beispielsweise durch die Bereitstellung der Aufnahmen auf einer frei zugänglichen Webseite, scheidet eine Annahme des Haushaltsprivilegs aus, die DSGVO ist mithin anwendbar (so der EuGH bereits in der Lindqvist-Entscheidung – EuGH Urteil vom 6. November 2004, C-101/01, auch Leitlinien des Europäischen Datenschutzausschusses EDSA zur Videoüberwachung – Guidelines 3/2019 on processing of personal data through video devices.
Quelle: TLfDI
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