Coronabedingte Gutscheine bei Absagen von Veranstaltungen
Werden Veranstaltungen aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt, wird dem Betroffenen in der Regel ein Gutschein beim Veranstalter ausgestellt. Möchte der Betroffene jedoch nicht den Gutschein, sondern den Kaufpreis erstattet bekommen, muss er einen Nachweis über seine prekären Lebensumstände erbringen.
Ein Betroffener wandte sich an den Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (TLfDI) und fragte, ob er bereits geleistete Zahlungen für ein Ticket erstattet bekäme. Dem Betroffenen wurde seitens des verantwortlichen Veranstalters mitgeteilt, dass er einen Nachweis über seine prekären Lebensumstände erbringen müsste. Andernfalls bekäme er lediglich einen Gutschein für die Veranstaltung ausgestellt.
Zur Abfederung der Auswirkungen der seitens der Bundesregierung und der Regierungen der Länder beschlossenen Absage aller Großveranstaltungen wurde ein Gesetz erlassen, wonach die Sport- und Konzertveranstalter dem Kunden statt der Auszahlung des Ticketpreises einen Gutschein ausstellen durften.
Danach gilt laut (Art. 240 § 5 Abs. 5 Nr. 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch [EGBGB]) Folgendes:
(1) Wenn eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte oder kann, ist der Veranstalter berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Eintrittskarte oder sonstigen Teilnahmeberechtigung anstelle einer Erstattung des Eintrittspreises oder sonstigen Entgelts einen Gutschein zu übergeben. Umfasst eine solche Eintrittskarte oder sonstige Berechtigung die Teilnahme an mehreren Freizeitveranstaltungen und konnte oder kann nur ein Teil dieser Veranstaltungen stattfinden, ist der Veranstalter berechtigt, dem Inhaber einen Gutschein in Höhe des Wertes des nicht genutzten Teils zu übergeben.
(2) Soweit eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeiteinrichtung aufgrund der COVID-19-Pandemie zu schließen war oder ist, ist der Betreiber berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Nutzungsberechtigung anstelle einer Erstattung des Entgelts einen Gutschein zu übergeben.
(3) Der Wert des Gutscheins muss den gesamten Eintrittspreis oder das gesamte sonstige Entgelt einschließlich etwaiger Vorverkaufsgebühren umfassen. Für die Ausstellung und Übersendung des Gutscheins dürfen keine Kosten in Rechnung gestellt werden.
(4) Aus dem Gutschein muss sich ergeben, 1. dass dieser wegen der COVID-19-Pandemie ausgestellt wurde und 2. dass der Inhaber des Gutscheins die Auszahlung des Wertes des Gutscheins unter einer der in Absatz 5 genannten Voraussetzungen verlangen kann.
(5) Der Inhaber eines nach den Absätzen 1 oder 2 ausgestellten Gutscheins kann von dem Veranstalter oder Betreiber die Auszahlung des Wertes des Gutscheins verlangen, wenn 1. der Verweis auf einen Gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist oder er den Gutschein bis zum 31. Dezember 2021 nicht eingelöst hat.
Dabei handelt es sich um eine zivilrechtliche Norm, mit der der Gesetzgeber die Auszahlungsvoraussetzungen in solchen Fällen wie dem des Betroffenen geregelt hat.
Die Datenverarbeitung durch den verantwortlichen Veranstalter in diesem Zusammenhang beruht auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b) Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Danach ist die Verarbeitung zulässig für die Erfüllung eines Vertrages, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen. Dies betrifft insbesondere die personenbezogenen Daten, die zur Erfüllung der Hauptpflichten eines Vertrages oder zur Beendigung des Vertrages erforderlich sind.
Hier geht es im Folgenden um die Frage der Zulässigkeit der Modifizierung der Hauptleistung (statt Ticket zu einer bestimmten Veranstaltung erhält der Käufer einen Gutschein) und die Frage nach der Zulässigkeit der Rückzahlung der Leistung des Käufers. Dabei sollen weitere personenbezogene Daten des betroffenen Käufers verarbeitet werden, damit der verantwortliche Verkäufer das Vorliegen seiner Rückzahlungsverpflichtung überprüfen kann.
Der Gesetzgeber hat zur Abfederung der Folgen der Corona-Pandemie für Veranstalter die oben dargestellten Regelungen zur Rückabwicklung von ausgefallenen Veranstaltungen aufgrund der Corona-Pandemie erlassen. Im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b) DSGVO stellt sich die Frage, ob nun weitere personenbezogene Daten des Betroffenen verlangt werden können, um den Rückzahlungsanspruch aus Art. 240 § 5 Abs. 5 Nr. 1 EGBGB geltend machen zu können. Dabei sind allgemeine zivilrechtliche Überlegungen zu berücksichtigen. So muss derjenige, der einen Anspruch durchsetzen will (Rückzahlung des Kaufpreises), dessen Voraussetzungen auch beweisen. Spätestens im Rahmen eines Zivilprozesses müssen dann die entsprechenden Umstände dargelegt und unter Beweis gestellt und somit dem Verantwortlichen offenbart werden. Daher können die Daten zur Anspruchsprüfung durch den verantwortlichen Veranstalter auch bereits vor Beginn eines Zivilprozesses verarbeitet werden.
Im Ergebnis werden personenbezogene Daten zur Erfüllung eines Vertrages im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b) DSGVO zulässigerweise verarbeitet.
Zudem kann die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Rückabwicklung von Ticketkäufen auf Grundlage des Art. 240 § 5 EGBGB auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe f) DSGVO gestützt werden. Danach ist die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.
Zum berechtigten Interesse des verantwortlichen Veranstalters zählt hier das Interesse, das Vorliegen einer Auszahlungsverpflichtung zu überprüfen, soweit sich ein Betroffener auf die Rückzahlungsklausel nach Art. 240 § 5 Abs. 5 Nr. 1 EGBGB beruft. Das schutzwürdige Interesse des Betroffenen umfasst sein Interesse, eigene Angaben zu prekären Lebensumständen gegenüber Dritten zu vermeiden. Hier begehrt der Betroffene die Rückzahlung eines Veranstaltungstickets. Im Rahmen der Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe f) DSGVO ist zu berücksichtigen, dass für diesen Rückzahlungsanspruch besondere Voraussetzungen bestehen, die in Art. 240 § 5 EGBGB geregelt sind.
Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze der DSGVO. Die Daten dürfen vom Verantwortlichen nur zu dem Zweck „Prüfung der Unzumutbarkeit bezüglich der Rückzahlung des Ticketpreises aufgrund der persönlichen Lebensumstände“ verarbeitet werden. Danach müssen im Sinne der Datensparsamkeit nach Art. 5 Abs. 1 Buchstabe c) DSGVO sofort nach Abschluss der Entscheidung über die Rückzahlung des Ticketpreises alle personenbezogenen Daten gelöscht werden.
Zudem hat der TLfDI darauf hingewiesen, dass im Rahmen der „persönlichen Lebensumstände“ nicht ausschließlich Umstände wie Kurzarbeit und Kündigung Einfluss haben. Auch personenbezogene Daten zu den Fragen, ob ein sehr weiter Anreiseweg zum Veranstaltungsort vorlag oder ob Veranstaltungen im Rahmen einer ebenfalls abgesagten Reise betroffen sind, dürften verarbeitet werden (vergleiche auch Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Fragen und Antworten: Gutscheinlösung bei Veranstaltungsverträgen – Veranstaltungsvertragsrecht; abrufbar hier.
Quelle: LfDI Thüringen
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