Chef bei WhatsApp beleidigen – Kündigung ist unwirksam
Nachdem ein Arbeitnehmer sich in einer privaten WhatsApp-Chat-Gruppe sehr abwertend über seine Chef geäußert hatte, erhielt er die außerordentliche Kündigung. In der Chat-Gruppe hatten lediglich sieben Personen Zugang, die allesamt bei der Beklagten angestellt und untereinander langjährig befreundet waren. Einer der Teilnehmer der Chatgruppe informierte den Arbeitgeber über die Beleidigungen. Gegen die Kündigung wehrte sich nun der Arbeitnehmer gerichtlich. Laut der dann erfolgten Entscheidung des LAG Hannover (Az.: 15 Sa 286/22) war diese Kündigung aufgrund ehrverletzender Äußerungen in einem privaten WhatsApp-Chat, unwirksam.“
Bei der Frage, ob ein wichtiger Grund für eine Kündigung vorliegt, war zu berücksichtigen, dass die abwertenden Äußerungen des Klägers in einem rein privaten Umfeld gefallen sind, so das Gericht:
„Bei Äußerungen gegenüber Familienangehörigen und Vertrauenspersonen, die in einer Sphäre fallen, die gegen die Wahrnehmung durch den Betroffenen oder Dritte abgeschirmt ist, tritt der Aspekt der Ehrverletzung eines von der Äußerung Betroffenen gegenüber dem einer freien Entfaltung der Persönlichkeit des sich Äußernden zurück. Zum Persönlichkeitsschutz gehört unter den Bedingungen eines besonderen Vertrauensverhältnisses die Möglichkeit des Einzelnen, seine Emotionen frei auszudrücken, geheime Wünsche oder Ängste zu offenbaren und das eigene Urteil über Verhältnisse und Personen oder eine entlastende Selbstdarstellung freimütig kundzugeben. (…). Der Austausch zwischen dem Kläger und den anderen Mitgliedern der Chatgruppe war auf Vertraulichkeit ausgerichtet. Die Mitglieder haben untereinander Ende-zu-Ende verschlüsselte Nachrichten ausgetauscht, die für Außenstehende nicht einsehbar waren. Die Beklagte hat nicht bestritten, dass zwischen den Mitgliedern ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden hat. Die Mitglieder sind langjährig befreundet bzw. im Fall der Mitglieder G. miteinander verwandt. Auf die Zusammensetzung der Gruppe hatten alle Mitglieder Einfluss. Zwar können weitere Mitglieder hinzugefügt werden. Dies ist aber nur im Falle des ehemaligen Mitarbeiters G. im Einverständnis aller Gruppenmitglieder erfolgt.
Es mag sein, dass auch ohne Einwilligung oder gegen den Willen des Klägers andere Gruppenmitglieder hätten hinzugefügt werden können. Dies wäre aber vom Kläger bemerkt worden und er hätte seine Kommunikation an eine veränderte Gruppenzusammensetzung anpassen können, wenn aus seiner Sicht die Vertraulichkeit durch die Gruppengröße oder Zusammensetzung beeinträchtigt wäre.“ Die Annahme der Vertraulichkeit ist nicht wegen der Größe der Chatgruppe ausgeschlossen. Die Äußerungen sind nicht vor einem Kreis von Mitarbeitern gefallen, der so groß war, dass der Kläger nicht sicher davon ausgehen durfte, dass seine Kollegen seine Äußerungen für sich behalten würden (…). Die Chatgruppe war mit sechs bzw. sieben Mitgliedern noch leicht zu überschauen. Der Zugang zur Chatgruppe konnte vom Kläger kontrolliert werden und er konnte sicher davon ausgehen, dass er die Aufnahme weiterer Mitglieder bemerkte. Zu allen Mitgliedern der Gruppe hatte der Kläger ein enges persönliches Verhältnis, das geeignet war, sein Vertrauen auf die Verschwiegenheit der Gruppenmitglieder Dritten gegenüber zu begründen. Er konnte daher davon ausgehen, dass seine Äußerungen über Dritte diesen nicht zur Kenntnis gelangen. Dies gilt umso mehr, als die Mitarbeiter in der Chat-Gruppe bereits seit dem Jahr 2014 Nachrichten ausgetauscht haben, ohne dass diese Außenstehenden bekannt geworden sind. Die Chatgruppe hatte auch keinen dienstlichen Bezug. Sie ist von den Mitgliedern als private Gruppe gebildet worden. Soweit sie sich über Arbeitskollegen und Geschehnisse am Arbeitsplatz ausgetauscht haben, begründet dies keinen dienstlichen Bezug. Insofern handelt es sich lediglich um einen privaten Meinungsaustausch, der sich wegen der gemeinsamen Tätigkeit für die Beklagte auch mit Aspekten des Arbeitslebens der Gruppenmitglieder auseinandersetzt.“
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Es läuft die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (2 AZR 19/23).
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