Bürgerfotos von Verkehrsverstößen zur Übermittlung an Ordnungsbehörden
Ein Bürger wandte sich mit einer Beschwerde an die Datenschutzbehörde, dessen auf einer Grünfläche ordnungswidrig abgestellter PKW von einer passierenden Person fotografiert wurde. Das Foto wurde in der Folge offensichtlich an die zuständigen Ordnungsbehörden übermittelt, die daraufhin ein Verfahren gegen den Beschwerdeführer einleitete. Dieser beschwerte sich hiergegen bei der Datenschutzbehörde, da er der Ansicht war, es handele sich hierbei um einen Datenschutzverstoß.
Die Datenschutzbehörde verneinte in diesem konkreten Fall einen Datenschutzverstoß sowohl durch die fotografierende Person als Hinweisgeber:in als auch durch die Ordnungsbehörde und vertritt die Auffassung, dass die fragliche Form der Übermittlung von Fotos grundsätzlich zulässig ist. Hierzu im Einzelnen:
Die Erhebung und Übermittlung von Fotos durch die hinweisgebende Person an eine Ordnungsbehörde ist zulässig, da diese gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 6 Abs. 1 lit. f. DSGVO rechtmäßig ist. Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO müssen personenbezogene Daten u.a. auf rechtmäßige Weise verarbeitet werden. Die Verarbeitung ist rechtmäßig, wenn mindestens eine der Bedingungen aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 DSGVO erfüllt ist. Die Übermittlung kann durch ein berechtigtes Interesse der hinweisgebenden Person gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO gerechtfertigt sein. Danach ist eine Übermittlung rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.
Der Begriff des berechtigten Interesses ist seinem Schutzzweck nach weit auszulegen.
Er umfasst alle rechtlichen, wirtschaftlichen, tatsächlichen oder ideellen Interessen. Die hinweisgebende Person kann als berechtigtes Interesse in solchen Fällen anführen, dass es auch in ihrem Interesse ist, dass öffentliche Flächen nicht durch ordnungswidrig parkende Fahrzeuge beeinträchtigt werden. Insoweit ist von der Rechtsprechung etwa im Zivilrecht anerkannt, dass Verkehrsregelungen drittschützenden Charakter haben können (BGH, Urteil vom 14.06.2005 – VI ZR 185/04). Demzufolge besteht am Schutz dieser Regeln auch ein berechtigtes Interesse der/des Einzelnen.
Die Übermittlung eines Fotos ist auch zur Wahrung dieses Interesses erforderlich. Dies ist immer dann der Fall, wenn keine datenschutzfreundlichere, gleich wirksame Maßnahme möglich ist. Vorliegend wäre die einzig praktische Alternative, den Sachverhalt telefonisch der Ordnungsbehörde zu melden. Auch in diesem Fall hätte die hinweisgebende Person jedoch die gleichen personenbezogenen Daten übermittelt, welche durch ein Foto übermittelt worden wären (Fahrzeugtyp, Standort, Kennzeichen). In beiden Fällen wären also die gleichen personenbezogenen Daten übermittelt worden. Erfahrungsgemäß würde die Ordnungsbehörde dann in einem Folgeschritt ohnehin ein Beweisfoto fertigen. Ein Anruf wäre jedoch auch nicht gleich wirksam, da er die Dokumentation des Sachverhaltes zeitlich verzögert und damit das Risiko der nicht rechtzeitigen Dokumentation begründet.
Auch ist nicht ersichtlich, dass das Interesse an dem Schutz vor der Übermittlung des Fotos die Interessen der hinweisgebenden Person am Schutz einer öffentlichen Fläche überwiegt. Ein Kriterium hierfür ist, ob eine betroffene Person zum Zeitpunkt der Erhebung der personenbezogenen Daten und angesichts der Umstände, unter denen sie erfolgt, vernünftigerweise absehen kann, dass möglicherweise eine Verarbeitung für diesen Zweck erfolgen wird. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Verantwortliche in diesen Fällen zumindest fahrlässig einen Verstoß im öffentlichen Verkehrsraum begangen hat. Es ist daher auch nicht überraschend, wenn dieser von passierenden Personen dokumentiert und an die Ordnungsbehörde übermittelt wird.
Es liegt hier auch keine vergleichbare Interessenslage zu Dashcams vor. Während bei Dashcams die anlasslose Aufzeichnung des öffentlichen Raumes problematisch ist, ist in dieser Konstellation eben keine anlasslose Aufzeichnung erfolgt, sondern nur ein bereits vorliegender Verstoß dokumentiert worden.
Bei der Übermittlung eines Fotos ist weiterhin der Grundsatz der Datenminimierung zu beachten. Auch müssen die berechtigten Interessen unbeteiligter Dritter geschützt werden. Daher müssen Fotos so angefertigt bzw. bearbeitet werden (Schwärzen, Verpixeln), dass nur die für die Ordnungsbehörde relevanten Daten ersichtlich sind, nicht aber personenbezogene Daten unbeteiligter Dritter. Von der soeben erläuterten grundsätzlichen Zulässigkeit kann es im Einzelfall Ausnahmen geben. Zu denken ist hierbei an Fälle, in denen die hinweisgebende Person kein ernstliches Interesse an der Einhaltung von Verkehrsregelungen zeigt, sondern vielmehr in querulatorischer Absicht und ungefiltert in einer Vielzahl von Fällen Fotos fertigt und versendet. Auch sind diejenigen Fälle anders zu werten, in denen die gefertigten Aufnahmen über das Internet, insbesondere durch soziale Medien, verbreitet werden.
Hinsichtlich der Datenverarbeitung durch die Ordnungsbehörde liegt regelmäßig ebenso kein Datenschutzverstoß vor. Diese ist befugt, zum Zwecke der Durchführung eines Verwarnungsverfahrens personenbezogene Daten zu verarbeiten (§ 28 Abs. 1 Landesdatenschutzgesetz), soweit dies erforderlich ist. In diesem Zusammenhang spielt die Herkunft dieser personenbezogenen Daten, die als Beweismittel genutzt wurden, zunächst keine Rolle. Auch wenn diese datenschutzwidrig durch die hinweisgebende Person erhoben worden sein sollten, hat dies nicht zwangsläufig Auswirkungen auf die Verwertbarkeit im Rahmen der Beweiswürdigung der Ordnungswidrigkeitenbehörde. Der Verwertung bzw. Verarbeitung könnten gesetzlich geregelte Verwendungsoder Verwertungsverbote entgegenstehen. Diese sind jedoch vorliegend nicht ersichtlich.
Quelle: LfDI Rheinland-Pfalz
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