Rechtsgrundlage für die Anfertigung von Bildaufnahmen zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr bei Verdacht eines Verkehrsverstoßes ist § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Strafprozessordnung in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz. Die Norm erlaubt die Anfertigung von Bildaufnahmen ohne Wissen des Betroffenen, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder erschwert wäre.
Ein Bürger erhielt nach einer Geschwindigkeitsüberschreitung ein Blitzerfoto, auf dem nicht nur der Fahrer, sondern auch der Beifahrer unverpixelt zu sehen war. Deswegen wandte er sich mit einer datenschutzrechtlichen Beschwerde an die Datenschutz Aufsichtsbehörde.
Um den Vorfall einer datenschutzrechtlichen Klärung zuzuführen, ersuchte die BehördeI zunächst die Bußgeldstelle um eine Stellungnahme. Diese teilte mit, dass es sich um einen Fehler im Rahmen des Massenverfahrens bei der Auswertung von festgestellten Geschwindigkeitsverstößen gehandelt habe. Das Verfahren läuft wie folgt ab: Zur Auswertung und Bearbeitung derartiger Verstöße verwenden die Mitarbeiter der Filmauswertung der Zentralen Bußgeldstelle ein computergestütztes Programm. Zunächst muss im Arbeitsverlauf der Bildbearbeitung eines jeden Verstoßes der Auswerter einen Rahmen um die Abbildung des Fahrers und des Kennzeichens platzieren, um die genauen Ausschnitts-Bilder zu bestimmen. Sind zusätzlich auf dem Gesamtbild andere Personen, wie zum Beispiel Beifahrer beziehungsweise weitere Fahrzeuge mit Personen und Kennzeichen zu erkennen, muss der Auswerter diese Ausschnitte auf dem Gesamtbild mittels der Funktion „Radiergummi“ verdecken.
In vorliegenden Fall hatte der Auswerter den Kennzeichenrahmen zwar positioniert, aber nicht im ausreichenden Maße verschoben, sodass er mittels der „Radiergummi“-Funktion Teile des Beifahrers nicht vollständig verdeckte. Nach Aussage der Bußgeldstelle sei die Sachlage mit dem Bearbeiter besprochen und ausgewertet worden.
Die Datenschutz Aufsichtsbehörde bewertete den Sachverhalt wie folgt:
Grundsätzlich ist jede Anfertigung eines Beweisfotos ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der abgebildeten Person. Danach hat jeder Anspruch auf Schutz seiner personenbezogenen Daten. Er ist berechtigt, über die Preisgabe und Verwendung solcher Daten selbst zu bestimmen. Diese Rechte dürfen nur aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.
Rechtsgrundlage für die Anfertigung von Bildaufnahmen zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr bei Verdacht eines Verkehrsverstoßes ist § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Strafprozessordnung (StPO) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss vom 5. Juni 2010 eindeutig klargestellt, dass ein Eingriff in das Grundrecht im Falle von Blitzerfotos gerechtfertigt ist (BVerfG Az: BvR 759/10). § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG erlaubt die Anfertigung von Bildaufnahmen und damit eine Datenerhebung ohne Wissen des Betroffenen, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder erschwert wäre. Vorliegend hat das BVerfG ausgeführt, dass das Interesse der Allgemeinheit an einem sicheren Straßenverkehr gegenüber dem Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung überwiegt. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg (Az.: 2 Ss OWi 20/15) gilt dies ausdrücklich auch für Beifahrer, obwohl diese nicht für den Verkehrsverstoß verantwortlich sind. Darüber hinaus führte auch das BVerfG aus, dass andere Personen gemäß § 100h Abs. 3 StPO nur betroffen sein dürfen, wenn dies unvermeidbar ist. Nach Auffassung des Senates (OLG) ist es unvermeidbar, dass bei Anfertigung eines Fotos im Rahmen einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme auch der Beifahrer mit abgebildet wird und sieht damit die Anfertigung des Lichtbildes als durch § 100h Abs. 3 StPO gedeckt an.
Zu prüfen, inwieweit die Nichtverpixelung des Beifahrers zu einem Beweisverwertungsverbot im Rahmen ihres Bußgeldverfahrens wegen des Geschwindigkeitsverstoßes führte, oblag nicht der Zuständigkeit der Datenschutz Aufsichtsbehörde. Vielmehr ist die Datenschutzaufsicht nur befugt, Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen festzustellen. Das Erstellen des unverpixelten Fotos des Beifahrers und damit die Datenerhebung war im konkreten Fall datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden. Nicht datenschutzkonform waren der Versand dieses Fotos und damit die Datenübermittlung an den Bürger. Die Bußgeldstelle wurde darauf hingewiesen, nochmals die Mitarbeiter zum Vorgehen bei Schwärzung der Beifahrer oder anderer Fahrzeuge zu belehren.
Quelle: TLfDI
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