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14.01.2022

Big Brother beim Bratwurstessen

Big Brother beim Bratwurstessen

Die Videoüberwachung von Gästetischen in Restaurants, Gaststätten oder auch in einem Imbiss ist unzulässig, da in diesen Bereichen Gäste miteinander kommunizieren und ihre Mahlzeiten einnehmen. Hier erwarten die Gäste, nicht überwacht zu werden. Die Überwachung dieser Bereiche stellt einen intensiven Eingriff in die Interessen der betroffenen Personen dar, welcher durch die mit der Videoüberwachung verfolgten Eigentumsinteressen des Verantwortlichen nicht gerechtfertigt werden kann. Darüber hinaus muss jeder Verantwortliche die Erforderlichkeit der Überwachung anhand der konkret festgelegten Zwecke beurteilen.

Dem Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (TLfDI) lag eine Beschwerde vor, dass auf dem Gelände eines Imbisses, welcher sich abgelegen im Thüringer Wald befindet, eine Videoüberwachung betrieben werden soll, welche erheblich in die Rechte von betroffenen Personen eingreift. Insbesondere sollten der Wanderparkplatz, Teile der öffentlichen Straße sowie der Innen- und Außenbereich des Imbisses überwacht werden. Daraufhin wandte sich der TLfDI mit einem umfassenden Auskunftsersuchen an das für die Überwachung verantwortliche Unternehmen. Die Verantwortliche teilte mit, dass sie vier Videokameras auf dem Gelände des Imbisses betreibt. Eine Kamera war im Innenbereich des Imbisses angebracht und filmte im vorderen Teil die Gästetische sowie die Bedientheke und den Eingang zum Imbiss. Die Kameras im Außenbereich erfassten den gesamten Wanderparkplatz sowie einen Teil der öffentlichen Straße und die im Außenbereich befindlichen Tische und Bänke. Eine vierte Kamera war an der Rückseite des Imbisses angebracht, welche auf die Fassade ausgerichtet war.

Die Zulässigkeit von Videoüberwachungen beurteilt sich nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe f) Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Danach ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten rechtmäßig, soweit sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich ist, sofern nicht die Interessen der betroffenen Personen, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Wird die Videoüberwachung zur Gefahrenabwehr eingesetzt, zum Beispiel, um vor Einbrüchen, Diebstählen oder Vandalismus zu schützen, kann dies grundsätzlich ein berechtigtes Interesse zum Betreiben einer Videoüberwachung darstellen, jedoch muss eine konkrete Gefahrenlage seitens des Verantwortlichen nachgewiesen werden. Dabei sind konkrete Tatsachen als Nachweis zu fordern, aus denen sich die Gefährdung ergibt (zum Beispiel durch Nennung von Beschädigungen, polizeilichen Tagebuchnummern beziehungsweise staatsanwaltschaftlichen Aktenzeichen et cetera).

Der Verantwortliche ist für die Einhaltung der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen seiner Datenverarbeitung verantwortlich und nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO zur „Rechenschaft“ verpflichtet, das heißt, er muss die Einhaltung der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen nachweisen können. In diesem Fall konnte der Verantwortliche entsprechende Vorkommnisse benennen, welche außerhalb der Geschäftszeiten des Imbisses stattgefunden haben. Unter anderem wurden hier Sachbeschädigungen und ein Einbruch benannt. Neben dem berechtigten Interesse muss die Überwachung für den verfolgten Zweck erforderlich sein, das heißt, sie muss geeignet sein und es darf kein anderes, gleich wirksames Mittel zur Verfügung stehen. Darüber hinaus muss auch das „Wie“ des Einsatzes der Videotechnik Gegenstand der Erforderlichkeitsprüfung sein, insbesondere der zeitliche und räumliche Umfang sowie die technische und organisatorische Ausgestaltung. Im vorliegenden Fall wurden zwar Tatsachen vorgetragen, die eine Gefährdungslage begründen können, jedoch fanden die Vorkommnisse nur außerhalb der Geschäftszeiten des Imbisses statt. Nach Einschätzung des TLfDI lag daher keine Erforderlichkeit einer Videoüberwachung innerhalb der Geschäftszeiten vor. Etwaige Vorkommnisse, welche auch eine Gefährdungslage während der Geschäftszeiten begründen könnte (zum Beispiel ein Überfall), wurden seitens des Verantwortlichen nicht dargelegt. Selbst wenn ein solcher Vorfall stattgefunden hätte, wäre eine Überwachung lediglich auf den vorderen Bereich der Bedientheke zu beschränken. Auch die Überwachung des kompletten Wanderparkplatzes und der öffentlichen Straße war für die vom Verantwortlichen verfolgten Zwecke nicht erforderlich. Hinsichtlich des Eigentumsschutzes ist es ausreichend, nur die Bereiche des Imbisses selbst zu überwachen.

Als letzter Prüfungsschritt muss eine einzelfallorientierte Interessenabwägung durchgeführt werden, das heißt, es ist anhand des konkreten Sachverhalts zu beurteilen, wie gewichtig die mit der Videoüberwachung verfolgten Interessen des Verantwortlichen sind und inwieweit diese durch die Videoüberwachung tatsächlich gefördert werden. Zum anderen ist zu prüfen und unter Berücksichtigung der vernünftigen Erwartungen des Betroffenen zu gewichten, inwieweit die Überwachung in schutzwürdige Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten eingreift und welche möglichen Folgen für Betroffene daraus resultieren können. Ob vernünftige Erwartungen bestehen, beurteilt sich danach, ob die Videoüberwachung in bestimmten Bereichen der Sozialsphäre typischerweise akzeptiert wird oder nicht.

Vorliegend wurden durch die Überwachung eine Vielzahl von Personen, welche den Parkplatz und den Imbiss im Rahmen ihrer Freizeitgestaltung aufsuchen, unter Generalverdacht gestellt, was einen intensiven Eingriff in deren Rechte darstellte. Zudem können Personen erwarten, auf einem Wanderparkplatz und auf der öffentlichen Straße im Rahmen ihrer Freizeit nicht ständig überwacht zu werden. Weiterhin fanden auf dem dortigen Gelände Feste und Veranstaltungen statt, was den Eingriff in die Rechte der betroffenen Personen noch verstärkte.

Die Überwachung von Ess- und Aufenthaltsbereichen in der Gastronomie ordnet die Rechtsprechung ebenfalls dem Freizeitbereich zu (AG Hamburg, Urteil vom 22. April 2008, Az.: 4 C 134/08). Dort halten sich Gäste typischerweise über längere Zeit auf, sie essen, trinken und unterhalten sich. Hier sind die Persönlichkeitsrechte der Gäste besonders zu schützen. Eine Videoüberwachung stört die unbeeinträchtigte Kommunikation und den unbeobachteten Aufenthalt der Gaststättenbesucher und greift intensiv in deren Rechte ein, so dass solche Bereiche regelmäßig nicht überwacht werden dürfen.

Da seitens des Verantwortlichen im Verwaltungsverfahren kein Einsehen bezüglich der geforderten Maßnahmen seitens des TLfDI zu erreichen war, erging letztendlich ein Bescheid nach Art. 58 Abs. 2 Buchstabe d) und f) DSGVO, wonach es dem TLfDI gestattet ist, eine vorübergehende oder endgültige Beschränkung der Verarbeitung einschließlich eines Verbots zu verhängen und den Verantwortlichen anzuweisen, Verarbeitungsvorgänge auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit der Verordnung zu bringen. Es wurde angeordnet, dass die Überwachung des Imbisses nur noch außerhalb der Geschäftszeiten zu erfolgen hat und der Wanderparkplatz und die öffentliche Straße von der Überwachung auszunehmen war.

Quelle: LfDI Thüringen

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