Anforderungen von medizinischen Unterlagen
Aufgrund der gesetzlich festgelegten Aufgabenteilung zwischen dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) und den Krankenkassen besteht der sozialdatenschutzrechtliche Grundsatz, dass die Krankenkassen grundsätzlich keine medizinischen Daten zur Kenntnis nehmen dürfen. Dies gilt indes nicht bei der Anforderung von Unterlagen durch gesetzliche Krankenkassen zur Unterstützung der Versicherten bei Behandlungsfehlern.
Viele gesetzliche Krankenkassen bieten ihren Mitgliedern an, dass sie sich bei dem Verdacht auf einen Behandlungsfehler an die Krankenkasse wenden können. Dort wird dann Hilfe und ein professionelles Behandlungsfehlermanagement angeboten. Die Krankenkasse prüft den Verdacht auf Behandlungs- oder Pflegefehler sowie Schäden, die durch Medizinprodukte oder Arzneimittel entstanden sein könnten, und unterstützt die Betroffenen bei der Durchsetzung der Ansprüche.
Es kam hierzu einige Anfragen von Ärzten. Angefragt wurde konkret, ob eine gesetzliche Krankenkasse selbst medizinische Unterlagen zur Unterstützung von Versicherten bei Behandlungsfehlern anfordern darf, ohne den MDK einzuschalten. Letztlich dürfe die Krankenkasse grundsätzlich keine medizinischen Daten zur Kenntnis nehmen.
Rechtliche Bewertung
Im fünften und im zehnten Sozialgesetzbuch (SGB V und SGB X) sind die datenschutzrechtlichen Befugnisse der Krankenkassen umfassend und abschließend geregelt. Entsprechend findet sich dort auch eine Rechtsgrundlage für das geschilderte Tätigwerden der Krankenkasse. Bereits 1989 wurde im SGB V der § 66 eingefügt, der es den Krankenkassen erlaubte, ihre Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen wegen Behandlungsfehlern zu unterstützen.
Auch nach der aktuellen Gesetzesfassung gehört es nach § 66 SGB V zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenkassen, Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern zu helfen, wenn der vermeintliche Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Versicherungsleistung der Krankenkasse steht. Die relativ unbestimmte Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG) vom 04.04.2017 um die folgenden Sätze 2 und 3 ergänzt:
„Die Unterstützung der Krankenkassen nach Satz 1 kann insbesondere die Prüfung der von den Versicherten vorgelegten Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität, mit Einwilligung der Versicherten die Anforderung weiterer Unterlagen bei den Leistungserbringern, die Veranlassung einer sozialmedizinischen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst nach § 275 Absatz 3 Nummer 4 sowie eine abschließende Gesamtbewertung aller vorliegenden Unterlagen umfassen. Die auf Grundlage der Einwilligung des Versicherten bei den Leistungserbringern erhobenen Daten dürfen ausschließlich zum Zwecke der Unterstützung des Versicherten bei Behandlungsfehlern verwendet werden.“
Diese Erweiterung des § 66 SGB V stellt eine Konkretisierung der in Satz 1 des § 66 SGB V angegebenen Unterstützungsleistung der Krankenkassen dar. Auf dieser Basis kann folglich auch die direkte Herausgabe von Behandlungsunterlagen durch den Arzt an die Krankenkasse erfolgen. Die dazugehörige Vorschrift, die der Krankenkasse erlaubt, zu diesem Zweck entsprechend Daten zu erheben und zu speichern, findet sich in § 284 Absatz 1 Nummer 5 SGB V.
Die Krankenkasse darf die Herausgabe von Patientenunterlagen nach § 66 SGB V an sie selbst jedoch nur fordern, wenn sie sich auf die Unterstützung nach § 66 SGB V, und zwar auf einen näher bezeichneten Behandlungsfall bezieht. Zudem ist Voraussetzung für die Herausgabe, dass eine aktuelle, vom Patienten unterschriebene Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht mit einer Einwilligung zur Herausgabe an die Krankenkasse vorliegt. Diese Erklärung muss sich auf den konkreten Behandlungsfall beziehen.
Nach § 66 Satz 2 SGB V kann die Krankenkasse auch den MDK mit einer Begutachtung beauftragen. Dementsprechend kann die Krankenkasse die Herausgabe der Behandlungsunterlagen auch an den MDK fordern. Ist dies der Fall, sind die Abschriften der Behandlungsunterlagen gemäß § 276 Abs. 2 Satz 2 SGB V direkt an den MDK zu senden, nicht an die Krankenkasse. Auch der MDK kann gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V bei entsprechendem Prüfauftrag durch die Krankenkasse selbst Behandlungsunterlagen vom Arzt anfordern.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es im Rahmen der Unterstützung der Versicherten bei Behandlungsfehlern nach § 66 V SGB mit Einwilligung der Versicherten zulässig ist, dass die Krankenkasse entsprechende Daten verarbeitet. Hierzu dürfen medizinische Unterlagen von den Leistungserbringern auch direkt an die Krankenkasse geschickt werden.
Quelle: HBDI
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