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14.05.2021

360-Grad-Feedback am Arbeitsplatz

Bei einem sog. 360-Grad-Feedback wird die Arbeitsleistung von Beschäftigten durch mehrere Personen bewertet, die sich teilweise in höheren und teilweise in niedrigeren Positionen befinden. Einer möglicherweise genaueren Einschätzung der Arbeitsleistung steht die Gefahr gegenüber, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten unzulässig ausgeweitet wird.

Normalerweise erhalten Beschäftigte in regelmäßigen Abständen Leistungsbeurteilungen durch Vorgesetzte. Bezogen auf Führungskräfte besteht seit einigen Jahrzehnten die Tendenz, verschiedene Sichtweisen auf deren Arbeit einzuholen: Ergänzend zu der Einschätzung durch Vorgesetzte wird eine Selbsteinschätzung der Führungskraft abverlangt; zudem geben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Kolleginnen und Kollegen aus anderen Teilen des Unternehmens eine Beurteilung zu der jeweiligen Person ab. Abhängig von den angewandten Methoden kann so ein umfassenderes Bild der Tätigkeit der Führungskraft entstehen. Bei Führungskräften ist anerkannt, dass aufgrund ihrer Position diese Art der Leistungsbeurteilung grundsätzlich zulässig ist.

Neuerdings wird dieses Konzept bisweilen auch auf Beschäftigte ohne oder mit nur untergeordneten Führungsaufgaben übertragen. Auch hier wird ein Dreiklang aus Bewertungen eingeholt: Zunächst eine Selbsteinschätzung, dann Einschätzungen von Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichsten Bereichen und schließlich eine Bewertung durch Vorgesetzte. Die Unternehmen, die dieses Verfahren einsetzen, verfolgen dabei ähnliche Ziele wie auch in Bezug auf Führungskräfte. Das Feedback soll insgesamt umfassender und zutreffender sein, Beschäftigte mit besonderen Fähigkeiten oder Förderbedarfen können im Anschluss gezielt angesprochen und besser ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden.

So vorteilhaft solche Verfahren auf der einen Seite bei der beständigen Entwicklung von Organisationen sein können, so problematisch kann auf der anderen Seite die Bewertung durch mehrere Personen für die einzelnen Beschäftigten sein. Anders gesagt: Eine beschäftigte Person muss im Zweifel nicht nur bei Begegnungen mit der Chefin oder dem Chef jederzeit damit rechnen, dass ihr Verhalten das nächste Zeugnis beeinflusst, sondern auch bei jeder Begegnung mit einer anderen Person des Unternehmens, da auch diese Begegnungen Auswirkungen auf die nächste Beurteilung und damit auch auf das weitere Berufsleben haben könnten. Die Folge kann ein permanenter Überwachungsdruck und Stress sein, der sich aus der Sorge um das berufliche Fortkommen ergibt.

In dem geprüften Verfahren haben Beschäftigte in Absprache mit ihren unmittelbaren Vorgesetzten mitentschieden, wer sie bewerten soll. Die Vorgesetzten konnten vereinzelt Personen ablehnen, wenn sie diese für ungeeignet hielten. Gleichzeitig sollten sie darauf achten, dass die Auswahl möglichst unterschiedliche Personen und Funktionen umfasst. Alle Beschäftigten wurden darin geschult, nur berufliche Kontexte in die Bewertung einzubeziehen und bei der Bewertung insgesamt möglichst rücksichtsvoll und sachlich vorzugehen. Vor allem sollte die Arbeit der zu Bewertenden beschrieben werden. Bei der Einführung des Verfahrens konnten zudem auf einer Skala Punkte für Stärken und Schwächen vergeben werden.

Die auf diese Weise abgegebenen Bewertungen wurden von den Vorgesetzten gesichtet und durch eine eigene zusammenfassende Einschätzung ergänzt, die auch abweichen konnte. Die abschließende Entscheidung über die Bewertung traf ein spezielles Gremium, die der bewerteten Person auch das Ergebnis mitteilte. Bei Unstimmigkeiten konnte ein Schlichtungsgremium eingeschaltet werden. Eine Nichtteilnahme am Verfahren, ob als bewertende oder bewertete Person, hatte bislang keine negativen Auswirkungen.

Ein 360-Grad-Feedback ist nicht grundsätzlich unzulässig, allerdings müssen datenschutzrechtliche Vorgaben eingehalten werden. Das heißt vor allem, dass am Arbeitsplatz kein dauerhafter Überwachungsdruck entstehen darf, dass auf den Grundsatz der Datenminimierung geachtet wird und dass die klassischen Betroffenenrechte, wie z. B. das Recht auf Auskunft, sichergestellt werden müssen.

Auf diese Vorgaben hin wurde das konkrete System überprüft und das Unternehmen aufgefordert, diverse Veränderungen vorzunehmen. Dieser Aufforderung ist es nachgekommen.

Um einem permanenten Überwachungsdruck der Beschäftigten entgegenzuwirken und die Datenverarbeitung einzuschränken, wurde auf die Empfehlung Der Datenschutzbehörde hin die Zahl der Personen, die eine andere Person bewerten, auf drei reduziert. Darüber hinaus muss die zu bewertende Person nunmehr mit den Personen, die sie bewerten, auch einverstanden sein. Die betroffene Person kann die sie Bewertenden nun häufig nicht nur selbst vorschlagen, sondern im Zweifel auch ein Veto gegen ihr unliebsame Personen einlegen.

Bei Inhalt und Umfang der Bewertungen war festzustellen, dass die Bewertenden sich an die Vorgaben gehalten haben und keine unnötigen oder sachfremden Erwägungen in die Bewertungen haben einfließen lassen. Die Punkteskala wurde von dem Unternehmen selbst als wenig zielführend erkannt und abgeschafft. Die Speicherdauer der Bewertungen wurde deutlich reduziert, indem von der Datenspeicherung über mehrere Zyklen hinweg Abstand genommen wurde. Nun kann grundsätzlich nur noch auf die Bewertungen des vorangegangenen Zyklus zurückgegriffen werden, um Entwicklungen und Unstimmigkeiten ggf. nachvollziehen zu können. Hiervon ausgenommen ist das Endergebnis: Dieses darf wie ein reguläres Arbeitszeugnis zur Personalakte genommen und für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gespeichert werden.

Etwas komplizierter war die Frage, wie mit Auskunftsersuchen der Beschäftigten umzugehen ist. Das Unternehmen hielt es für problematisch, dass Bewertete Einsicht in alle erstellten Bewertungen und ggf. auch in die Kommentare der am Ende beratenden Gremien erhalten. Eine Sorge war, dass sich die Bewertenden bei einem umfassenden Auskunftsrecht unter Umständen nicht mehr trauen würden, die Bewertung ehrlich zu formulieren. Befürchtet wurden auch unliebsame Auswirkungen auf die Persönlichkeitsrechte der Bewertenden. Da die bewertenden Personen jedoch eine Aufgabe des Arbeitgebers wahrnehmen, indem sie Vorarbeiten zu einem Arbeitszeugnis leisten, können ihre Rechte nicht pauschal überwiegen. Wir haben jedoch zwei Einschränkungen als zulässig angesehen: Zum einen ist es möglich, eine vollständige Auskunft erst nach Abschluss des Bewertungszyklus zu erteilen, damit der Bewertungsprozess nicht beeinflusst wird. Zum anderen muss keine Auskunft über die Bewertungen untergeordneter Personen gegeben werden, da diese sonst Bedenken haben könnten, eine solche Aufgabe zu übernehmen und eine Bewertung abzugeben.

Nach wie vor haben Beschäftigte, die weder als Bewertete noch als Bewerter*innen an dem Bewertungssystem teilnehmen wollen, keine Nachteile zu befürchten.

Aufgrund der Umstrukturierung des Verfahrens ist dies in seiner aktuellen Form nun als zulässig zu erachten.

Einschätzungen von Kolleginnen und Kollegen dürfen in die Bewertung der Arbeitsleistung von Beschäftigten einfließen, wenn Ablauf und Inhalt den Betroffenen transparent gemacht wird, personenbezogene Daten nur im erforderlichen Umfang erhoben und gespeichert werden und ein dauerhafter Überwachungsdruck vermieden wird.

Quelle: BInBDI

Weitere unterstützende Hinweise zum Datenschutz finden Sie in diesen Beiträgen:

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