Schnuppertag im Rathaus mit Folgen
Kindern die vielseitige Arbeit der Kommunen näherzubringen, ist toll, aber gar nicht so einfach. Bei einem Schnuppertag wollte eine Stadtverwaltung erklären, was es mit der Hundesteuer auf sich hat, und befragte zur Veranschaulichung die Kinder, wer einen Hund zu Hause habe. Die daraus gezogenen Folgen waren kein Kinderspiel.
Kommunen erfüllen eine Vielzahl an öffentlichen Aufgaben. Oftmals kennen Bürger_innen jedoch kaum die enorme Vielfalt, für die Stadtverwaltungen stehen. Und wo bereits Erwachsene Schwierigkeiten haben, sich die Tätigkeit der Verwaltung vorzustellen, fällt es Kindern noch schwerer: Das abstrakte Aufzählen von Bezeichnungen wie „Abfallwirtschaft“, „Liegenschaftsverwaltung“ oder „Vermessungswesen“ – um ein paar plakative Beispiele zu nennen – wird den wichtigen Beitrag der Kommunen zur öffentlichen Aufgabenerfüllung kaum begreifbar machen.
In einem Fall war einer Klasse Grundschulkindern im Rahmen eines Besuchstags bei der Stadtverwaltung unter anderem die Hundesteuer erklärt worden. Eine solche müssen Gemeinden in Baden-Württemberg erheben und die Modalitäten dafür in einer gemeindlichen Satzung festlegen (§ 9 Abs. 3 des Kommunalabgabengesetzes [KAG]). Legt sich also jemand mit Wohnsitz in einer Gemeinde einen Hund zu, so muss diese Person der Gemeinde grundsätzlich nach Maßgabe der Satzung eine Steuer auf ihr Tier zahlen. Um zu demonstrieren, wie das Ganze funktioniert, fragte die Stadtverwaltung die Besuchsklasse danach, wer denn einen Hund zu Hause habe. Einige der Schüler wurden herausgegriffen und im entsprechenden Register gezeigt, wie Hund und Familie dort eingetragen sind. Bei einem Kind blieb der Abgleich mit dem Register jedoch ergebnislos: Der Hund war noch nicht angemeldet. Nun – im Anschluss wurde den Eltern des Kindes eine Aufforderung zur Anmeldung des Hundes zugesandt.
Obwohl den zuständigen Behörden der Steuerverwaltung grundsätzlich weitreichende Ermittlungsbefugnisse zustehen und sie im Allgemeinen bei Kenntnis von relevanten Tatsachen auch tätig werden müssen, ist dieses Vorgehen in mehrerlei Hinsicht problematisch.
Die Kommune hatte hier als Finanzbehörde keine Berechtigung dazu, die Information über die Hundehaltung in der Familie auf diese Weise von dem Grundschulkind zu erheben. Zwar können nach den hier anwendbaren allgemeinen steuerrechtlichen Regelungen die Finanzbehörden sowohl von den Beteiligten eines Steuerverfahrens als auch von anderen Personen die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte verlangen (§ 93 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung [AO] in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 KAG). Dabei sollen allerdings andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 KAG). In Bezug auf die Hundesteuer ist davon auszugehen, dass der erwachsene Haushaltsvorstand hundesteuerpflichtig war, nicht das Kind. Das Kind wäre demnach nicht nur nachrangig gegenüber den Eltern bzw. dem den Haushalt führenden Elternteil zu befragen gewesen; ihm hätte als Angehörigem der steuerpflichtigen Person(en) vor allem auch ein Auskunftsverweigerungsrecht zugestanden, über das es vorab zu belehren gewesen wäre (§ 101 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 KAG). Bei einem Grundschulkind ist allerdings nicht davon auszugehen, dass es zum Verständnis des Sinns und Zwecks und zur sachgerechten Entscheidung über sein Auskunftsrecht selbst in der Lage wäre, so dass bereits die Belehrung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter des Kindes – gegebenenfalls unter Bestellung eines Ergänzungspflegers – hätte erfolgen müssen. Eine ordnungsgemäße Belehrung war mithin hier keinesfalls erfolgt.
Die Erhebung konnte sich hier aber auch nicht unabhängig von den gesetzlichen Erhebungsbefugnissen der Stadtverwaltung auf eine (datenschutzrechtliche) Einwilligung des Kindes stützen. Insoweit kann dahinstehen, ob und inwieweit generell im Steuerrecht mit Blick auf die umfassenden Auskunftspflichten den Finanzbehörden überhaupt eine Erhebung personenbezogener Daten mit steuerlicher Relevanz kraft freiwilliger Einwilligung möglich ist. Auch sei dahingestellt, ob eine Einwilligung seitens des Kindes schon deswegen keine Rechtsgrundlage abgeben kann, weil die Hundehaltung und damit die Hundesteuerpflicht auslösenden Umstände nicht das Kind, sondern den erwachsenen Haushaltsvorstand betreffen. Ergänzend sei dahingestellt, ob die Stadtverwaltung hier die für eine informierte Einwilligung erforderlichen Informationen erteilt hat. Es lag hier deswegen keine wirksame Einwilligung vor, weil ein Grundschulkind zu jung ist, um eine solche Einwilligung in die Verarbeitung seiner Daten zu erteilen. Auch in Bezug auf die datenschutzrechtliche Einwilligung gilt nämlich, dass ein Grundschulkind deren Tragweite noch gar nicht überblicken kann.
Die Erhebung der Information über die Hundehaltung zum Zwecke des demonstrativen Registerabrufs war mithin rechtswidrig. Doch was bedeutet das für die anschließende Information, dass der Hund der Familie XYZ nicht angemeldet ist? Trotz steuerrechtlichem Untersuchungsgrundsatz ist der Staat bei jeglichem Eingriff in die Grundrechte einer Person an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Er muss also bei der Frage, ob rechtswidrig erlangte Informationen verwertet bzw. auch nur für weitere Erhebungen verwendet werden dürfen, zwischen den verschiedenen Interessen abwägen. Einerseits darf der Staat nicht sehenden Auges doch wegschauen, wenn ihm etwas Rechtswidriges zur Kenntnis gelangt, andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, wenn von der Rechtsordnung vorgesehene Schutzmechanismen nicht angewendet wurden, wie beispielsweise ein Auskunftsverweigerungsrecht von Angehörigen. Für den Fall der Verletzung der Pflicht zur Belehrung Angehöriger über ihre Auskunftspflicht hat die Rechtsprechung zumindest ein Verwertungsverbot anerkannt (vgl. insbesondere BFH, Urteil vom 31. Oktober 1990 – II R 180/87).
Im hiesigen Fall hatte die Gemeinde vor dem Geschehen keine Überlegungen zu der Erhebung oder Verwend- bzw. Verwertbarkeit von rechtswidrig oder zufällig erlangten Informationen getätigt. Als die Datenschutzbehörde auf die Beschwerde der Eltern des betroffenen Kindes hin die Gemeinde um Stellungnahme baten, hatte diese jedoch bereits begonnen, die interne Vorgehensweise bei den Besuchstagen von Schulkindern zu überarbeiten. Insoweit wurde vor allem dafür sensibilisiert, dass vor jeder Verarbeitung personenbezogener Daten überlegt werden muss, ob dafür jeweils eine Rechtsgrundlage besteht – und allein die Kenntnis über die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nicht ausreicht, um rechtswidrig erlangte Informationen verwerten zu dürfen.
Gerade Kindern gegenüber sollte klar sein, dass staatliches Handeln auf gesetzlicher Grundlage erfolgen muss. Sie nach ihren persönlichen Lebensumständen zu befragen, sollte keine Grundlage zur Einleitung hoheitlicher Verfahren sein.
Quelle: LfDI BW
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