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23.06.2021

Herausgabe von Anlegerkontaktdaten

Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft haben gegenüber dem Komplementär einen Herausgabeanspruch der ladungsfähigen Anschriften ihrer Mitgesellschafter. Damit ist gewährleistet, dass Kommanditisten sich über die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises informieren können, um zum Beispiel mögliche Stimmverbote überprüfen oder Gesellschafterrechte ausüben zu können.

Ein Schiffsbeteiligungsfonds wurde nach der Finanzkrise 2008/2009 als antizyklischer „Blindpool“-Schifffonds aufgelegt. Die Anlegerinnen und Anleger investieren bei einem Blindpool – als Eigenschaft eines geschlossenen Fonds – in diesem Sinne „blind“, so dass ihnen die konkreten Investitionsziele anfangs nicht bekannt sind. Ziel war es in diesem Fall, die aus der Finanzkrise hervorgegangene Schifffahrtskrise als Gelegenheit zu nutzen, um nach Erholung des Welthandels für die Anleger hohe Renditen mit der Beteiligung an Schiffen zu erzielen.

Der Fonds wurde in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft mit einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) als Komplementär (Vollhafter) aufgesetzt, hier mit einer Schiffsbeteiligungs-Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) und Co. KG, an der sich Anleger als Kommanditisten durch Anteilskauf an der KG beteiligen konnten. Der Vertrieb erfolgte über einen bundesweit tätigen Finanzdienstleister. Die Prognosen konnten allerdings nicht eingehalten werden, die Anlegerinnen und Anleger erlitten in den Folgejahren schwere Verluste.

Gesellschafter versucht mit anderen Anlegern in Kontakt zu treten

Um den drastischen Verlusten Einhalt zu gebieten wollten einige – bereits untereinander bekannte – Kommanditisten die Komplementärin, also die Geschäftsführungsgesellschaft zur Liquidation des Fonds zwingen. Die Erlöse durch die Schiffsverkäufe sollten an die Anlegerinnen und Anleger zurückgezahlt werden, damit wenigstens ein Bruchteil der ursprünglichen Anlagesumme hätte gerettet werden können. Hierzu wählte die Anlegergruppe einen Kommanditisten aus ihren Reihen, der gegen die aktuelle Geschäftsführung der Komplementärgesellschaft vorgehen sollte. Allerdings benötigte er hierfür das Mandat weiterer Mitgesellschafter, um bei einer einzuberufenden Gesellschafterversammlung genug Stimmrechte auf sich zu vereinen, damit eine Fondsauflösung betrieben werden kann.

Bereits in der Vergangenheit hatte die Anlegergruppe über eine Treuhänderin der Beteiligungsgesellschaft eine Liste mit Kontaktdaten, wie Anschriften, E-Mail-Adressen und Telefonnummern der übrigen Mitgesellschafter erhalten. Diese Adressliste wurde nun von dem ausgewählten Vertreter genutzt, sämtliche Mitgesellschafter per E-Mail-Rundschreiben zu kontaktieren, um von ihnen unter Hinweis auf die aussichtslose Lage des Schifffonds eine weitreichende Bevollmächtigung für die Ausübung von Stimmrechten zu erbitten.

Fondsverwalter holt zum Gegenschlag aus

Die Geschäftsführung der Komplementärgesellschaft erfuhr von diesem Vorgehen, da sich vom Vertreter angeschriebene Anleger besorgt an sie wendeten. Die Komplementärin sah in der Kontaktaufnahme der Kommanditisten untereinander einen offenkundigen Datenmissbrauch und brachte ihrerseits weite Teile der Gesellschafterrunde dazu bei mir einen Datenschutzverstoß des Vertreters anzuzeigen. Hierfür wurde den Anlegerinnen und Anlegern, die die missbräuchliche Nutzung ihrer personenbezogenen Daten anzeigen wollten, ein vorformuliertes Schreiben zur Verfügung gestellt. Es mussten nur noch Adresse und Unterschrift ergänzt werden.

Das Schreiben sollte an den Vertreter der Kommanditistengruppe und an die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen gerichtet werden. Auf diese Weise erreichten mich 36 Beschwerden gegen den Absender der E-Mail. In dem Formschreiben wurde gegenüber dem Vertreter angezeigt, dass personenbezogene Daten wie Anschriften, E-Mail-Adressen und Telefonnummern ohne Einwilligung verarbeitet worden waren, deren Herkunft beauskunftet und die Kontaktdaten gelöscht werden sollten.

Kontaktaufnahme rechtlich zulässig, aber auf andere Weise

In dem eingeleiteten aufsichtsbehördlichen Prüfverfahren stellte die Aufsichtsbehörde fest, dass lediglich wegen der Verwendung der E-Mail-Adressen ein datenschutzrechtlicher Verstoß des Verantwortlichen, hier des Vertreters vorlag, da ihm eine Einwilligung der Betroffenen zur Verarbeitung der E-Mail-Adressen nicht vorlag. Der Initiator der Rund-Mail wurde daher verwarnt. Eine Löschung der zu Unrecht verarbeiteten Daten wurde im Verfahren von ihm zugesichert und die Betroffenen wurden darüber von ihm informiert.

Nichtsdestotrotz muss es datenschutzkonform möglich sein, dass Mitwirkungsrechte von Gesellschaftern effektiv ausgenutzt werden können. Jeder Kommanditist hat gegen die Gesellschaft, Adressat ist mithin die Komplementärin, einen Anspruch auf Herausgabe der ladungsfähigen (postalischen) Anschriften aller Mitkommanditisten. Damit ist gewährleistet, dass Kommanditisten sich über die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises informieren können, um zum Beispiel mögliche Stimmverbote überprüfen oder Gesellschafterrechte ausüben zu können. Ein Anspruch auf das Abfragen und die Weiterverwendung von E-Mail-Adressen der Mitgesellschafter ohne deren Einwilligung besteht allerdings nicht.

Die Verarbeitung der ladungsfähigen Anschriften der Mitkommanditisten ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des einzelnen Kommanditisten gem. Art. 6 Abs. 1 Satz lit. f) Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) datenschutzkonform. Denn Kommanditisten haben ein erhebliches Interesse an einer Kooperation mit den übrigen Mitgesellschaftern. Dieses Interesse überwiegt das vermeintliche Schutzinteresse der anderen Gesellschafter an einer Nichtoffenbarung ihrer ladungsfähigen Anschrift. Einer Zustimmung der übrigen Kommanditisten zur Verarbeitung ihrer ladungsfähigen Anschrift bedarf es folglich nicht.

Eine Verweigerung der Komplementärin, diese Informationen zu übermitteln, kann daher nicht mit der DSGVO begründet werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Einsichtnahme in das öffentlich zugängliche Handelsregister, um Vorname, Nachname, Einlagehöhe, Geburtsdatum und Geburtsort aller Kommanditisten einer KG in Erfahrung zu bringen.

Quelle: LfD Niedersachsen

Weitere unterstützende Hinweise zum Datenschutz finden Sie in diesen Beiträgen:

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