Bonitätsauskunft bei Wohnungsanfragen
Datenerfassung bei Wohnungsbaugenossenschaft und Bonitätsauskunft bei Wohnungsanfragen
Die umfangreiche Datenerhebung in einem Anmeldeformular und die Implementierung einer standardmäßigen Bonitätsabfrage durch den Vermieter zu einem Zeitpunkt, an dem der Abschluss eines Mietvertrages noch nicht einmal im Raum steht, ist mit den Grundsätzen der Datenverarbeitung nach Art. 5 DSGVO und auch des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstaben b) und f) DSGVO nicht vereinbar.
Aufgrund einer Beschwerde wurde dem Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (TLfDI) bekannt, dass bei einer Thüringer Wohnungsbaugenossenschaft bei einer bloßen Interessenbekundung eines Wohnungsinteressenten und seiner Nachfrage dahingehend, ob überhaupt freie Wohnungen in einem bestimmten Gebäudekomplex vorhanden sind, ein umfangreicher Wohnungsantrag und damit verbunden eine Einverständniserklärung zur Übermittlung von Daten an eine Auskunftei zum Zwecke der Kreditwürdigkeitsprüfung abgegeben werden muss.
Der Beschwerdeführer kam dieser Forderung zunächst nach, da er an einer Wohnung interessiert war, widerrief dann aber noch während des Gespräches seine Einwilligung und nahm auch seinen Wohnungsantrag zurück. Dabei wurde ihm allerdings mitgeteilt, dass bereits alle notwendigen Daten für die Kreditwürdigkeitsüberprüfung an die Auskunftei übermittelt worden seien. Daraufhin fragte der Betroffene beim TLfDI nach, ob ein derartiges Verfahren zulässig sei und beschwerte sich über die Wohnungsbaugenossenschaft. Der TLfDI forderte sodann die Wohnungsbaugenossenschaft auf, den Sachverhalt zu erklären und zu diesem Verfahren Stellung zu nehmen. Der TLfDI ließ sich auch das Antragsformular zur Prüfung übersenden.
Nach Prüfung der Angaben zum Verfahrensablauf bei Anfragen oder Interessenbekundungen zum Anmieten einer Wohnung wurde festgestellt, dass dieses Verfahren nicht den Vorgaben der DatenschutzGrundverordnung (DSGVO) entspricht und auch den von der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) verabschiedeten Hinweise in der „Orientierungshilfe zur Einholung von Selbstauskünften bei Mietinteressenten“ (OH Mietinteressenten) vom 30. Januar 2018 und dem darin niedergelegten rechtmäßigen Umgang mit Daten von Mietinteressenten und zukünftigen Mietern nicht entsprochen wurde.
Die Wohnungsbaugenossenschaft war der Ansicht, dass der Antrag vollständig auszufüllen ist und ohne die Abfrage zur Bonität die Anfrage nicht bearbeitet werden kann und stützte sich dabei auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstaben b) und f) DSGVO sowie auf genossenschaftliche Grundsätze zur Abwendung von Schaden für die Genossenschaft.
Gemäß Art. 5 Abs. 1 der DSGVO müssen Daten auf rechtmäßige Weise verarbeitet werden. Wann eine solche Verarbeitung rechtmäßig ist, ergibt sich indes aus Art. 6 DSGVO. Die Verarbeitung ist danach nur dann rechtmäßig, wenn eine der dort genannten Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung herangezogen werden kann. Im Falle der Wohnungsbaugenossenschaft war kein Fall des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b) DSGVO gegeben, da es zwar um eine vorvertragliche Maßnahme ging, es aber an der Notwendigkeit der Datenerhebung für den entsprechenden Zweck mangelte. Die OH Mietinteressenten der DSK legt für verschiedene Stadien im Rahmen der Wohnungsanmietung verschiedene Datenkategorien fest, die erhoben werden dürfen, weil ihre Kenntnis in diesem Stadium erforderlich ist. Bei bloßem Interesse an der Anmietung einer Wohnung und einer damit verbundenen Besichtigung besteht allein die Notwendigkeit dafür, dass die Adressdaten des Interessenten aufgenommen werden dürfen. Gegebenenfalls darf nach dem Vorliegen eines Wohnberechtigungsscheines gefragt werden, sofern die Wohnung nur damit vermietbar ist.
Im Rahmen einer unverbindlichen Voranfrage, ob es überhaupt in einem bestimmten Gebiet gerade verfügbaren Wohnraum gibt, ist die Notwendigkeit irgendeiner Datenerhebung indes fraglich. Warum hier ein Antrag auszufüllen war, ist nicht nachvollziehbar und diese Vorgehensweise entspricht auch nicht dem Grundsatz der Datensparsamkeit nach der DSGVO. Aus diesem Grund kam der TLfDI zu dem Ergebnis, dass hier die Datenverarbeitung auch gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe f) DSGVO nicht möglich ist, da es kein berechtigtes Interesse eines Vermieters darstellt, im Rahmen einer unverbindlichen Auskunft über die Verfügbarkeit von Wohnraum einen umfangreichen Anmeldbogen auszufüllen und eine Bonitätsabfrage zu tätigen.
Der Wohnungsantrag beinhaltete Datenerhebungen, die zum Zeitpunkt der Interessenbekundung in diesem Umfang nicht gerechtfertigt sind, sondern erst dann, wenn sich der Interessent für eine bestimmte Wohnung entscheidet und damit ein möglicher Vertragsabschluss überhaupt im Raum steht.
Neben diesen Daten beinhaltete der Antrag auch die Genehmigung zur Einholung der Bonitätsauskunft. Verweigerte der Interessent die Zustimmung zur Bonitätsabfrage bei der Antragstellung, wurde der Wohnungsantrag nicht bearbeitet. Aus diesem Sachverhalt folgt jedoch, dass die Einwilligung, die für die Bonitätsabfrage eingeholt wurde, nicht gemäß Art. 7 DSGVO erfolgte. Es fehlt an der Freiwilligkeit der Einwilligungshandlung, wenn die betroffene Person im Stadium einer Auskunft über die Wohnungssituation keine Einwilligung zur Bonitätsabfrage erteilt und ihr dann dargelegt wird, dass keine Bearbeitung erfolgt, bis die Einwilligung erteilt wird. Dies stellt eine Zwangssituation dar, aus der keine gültige Einwilligung hervorgehen kann und in diesem Fall auch nicht hervorgegangen ist. Wenn die Erbringung einer Dienstleistung von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig gemacht wird, die für die Erfüllung der Dienstleistung nicht erforderlich sind, spricht man auch vom sogenannten Koppelungsverbot, Art. 7 Abs. 4 DSGVO. Da die Abfrage bei der Auskunftei auch im Rahmen einer Anfrage zu der Verfügbarkeit von Wohnraum von keiner rechtlichen Grundlage gedeckt ist, stellt dies einen tiefgreifenden Eingriff in die Rechte und Freiheiten der betroffenen Person dar und ist in jedem Fall eine unzulässige Datenverarbeitung.
Auch der Vortrag, Schaden von der Genossenschaft abzuwenden, geht ins Leere, da der Nachweis über eine bestehende Bonität an späterer Stelle geführt werden kann für den Fall, dass dahingehend Bedenken bestehen. Erst bei Abschluss eines Mietvertrages, und auch nur dann, kann es zu einem Schaden führen, die Bonität des künftigen Mieters nicht zu kennen. Daher ist auch in der OH Mietinteressenten der DSK für den Fall des Abschlusses eines Mietvertrages die Möglichkeit vorgesehen, dass der Mietinteressent selbst zum Nachweis seiner Bonität für den speziellen Fall der Eingehung eines Mietverhältnisses entsprechende Auskünfte bei der Auskunftei zur Vorlage beim Vermieter abfordern kann. Eine komplette „Selbstauskunft“ kann jedoch nicht gefordert werden, da diese weit mehr Angaben enthält als notwendig sind. Liegen beim Vermieter in Folge dieses Verfahrens bereits ausreichende Informationen über die Bonität der Mietinteressenten vor, ist eine vom Vermieter veranlasste zusätzliche Bonitätsauskunft in jedem Fall unzulässig, da es auch hier an der Notwendigkeit fehlt. An dieser fehlt es aber eben auch, wenn die Frage, ob der Interessent überhaupt Wohnraum anmieten möchte und ob ein solcher auch derzeit zur Verfügung steht, noch gar nicht beantwortet wurde.
Die Implementierung einer standardmäßigen Bonitätsabfrage durch den möglicherweise zukünftigen Vermieter zu einem Zeitpunkt, an dem der Abschluss eines Mietvertrages noch nicht einmal im Raum steht, ist mit den Grundsätzen der Datenverarbeitung nach Art. 5 DSGVO und auch des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstaben b) und f) DSGVO nicht vereinbar.
Nach Prüfung des Sachverhaltes wurde die Wohnungsbaugenossenschaft vom TLfDI aufgefordert, die Datenerhebung entsprechend den Vorgaben der DSGVO und der OH Mietinteressenten anzupassen und umzugestalten. Das Antragsformular wurde daher von der Wohnungsbaugenossenschaft neu gefasst und auch die Bonitätsabfrage wurde angepasst. Das Verfahren ist im Berichtszeitraum noch nicht vollständig abgeschlossen und dauert noch an, da eine abschließende Bewertung hinsichtlich der erfolgreichen Umgestaltung aller festgestellten Mängel durch den TLfDI noch aussteht.
Quelle: LfDI Thüringen
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